Ich konnte nicht verhindern, dass einen Moment Enttäuschung über mein Gesicht strich. Doch ich verstand meine Kinder. Nach allem was geschehen war, fiel es ihnen sicher schwer, wieder zu uns zurück zu kehren. Ich dachte einen Moment lang nach. Und..was wäre, wenn wir euch eine eigene Wohnung beschaffen würden? Also..ich denke, wenn Eltern zustimmen dass ihre minderjährigen Kinder allein wohnen, dass die Stadt da nicht gegen haben wird..solange die Eltern immer noch mit ein Auge darauf haben. Bot ich dann zögerlich an. Es behagte mir nicht, die beiden allein in einer Wohnung zu wissen, und dennoch - vielleicht war genau diese Art von Freiheit etwas, was den beiden zeigen würde, wie sehr ich ihnen vertraute? Für Coki konnte ich wahrlich nicht sprechen, doch ich würde sie überzeugen dass es so am besten war. Natürlich werde ich mich um alle anfallenden Kosten wie Miete und Strom und so kümmern - und auch darum dass euer Kühlschrank nie leer wird.. fügte ich dann rasch hinzu und sah dann verstohlen zu @Sandy. Was er wohl davon halten würde? Würde er mich als schlechten Vater sehen?

Masch schien es nicht ganz wohl zu sein, dass ich ihm die Entscheidung überlassen hatte. Auch mir war insgesamt nicht ganz wohl dabei, denn eigentlich wäre es besser für alle, wenn ich mich von allen fern hielt, bevor noch schlimmeres passieren würde als bei diesem Vampir, bei dem ich eine Weile gefangen gewesen war.
Die Enttäuschung auf Papas Gesicht entging mir nicht und es tat mir leid. Von meiner Seite aus sollte er wenigstens wissen, dass es nicht an ihm lag. Sein Angebot überraschte mich jedoch. Ich wusste einen Moment nicht genau, was ich sagen sollte, und knetete unsicher meine Finger.
"Ich weiß nicht... Was besser ist... Nach Hause gehen klingt schon ganz gut, es ist nur... Ich...", setzte ich an und suchte nach den richtigen Worten, "Es liegt nicht an dir, dass ich mir nicht sicher bin... Es ist nur... Vielleicht sollte ich mich von anderen lieber etwas... Fern halten... Ich meine... Hat du uns denn trotzdem lieb, obwohl wir... Ganz doll scheiße gebaut haben?"
Tränen brannten in meinen Augen und ich sah zur Seite. Dabei tat ich so, als sei etwas außerhalb vom Fenster plötzlich sehr interessant, in der Hoffnung, verbergen zu können, was ich fühlte.

Ich machte leise ein paar Schritte zurück, mir war das alles hier viel zu viel, ich konnte mich nicht einfach für irgendwas entscheiden, unser Vater war jetzt schon enttäuscht. Welche Entscheidung war die richtige? Ich... Das... Ich biss mir auf die Unterlippe und schien noch mehr in mich zusammen zu sinken, ich sah weiterhin niemanden mehr an, ich wollte nur noch verschwinden.

Besorgt beobachtete ich die neuesten Entwicklungen. Während Eli die ganze Sache recht gut aufzunehmen schien wirkte Masch auf mich als würde er sich am Liebsten irgendwo verstecken. Ich richtete mich wieder etwas auf, bereit meinem Patenkind zu helfen. Es war nicht direkt Nekros Schuld, dass Masch und auch Eli nicht so gut reagierten. Masch war gestern erst aus der Entzugsklinik zurückgekommen und hatte noch nicht viel Zeit gehabt sich zu akklimatisieren, während Eli noch die schwere Aufgabe vor sich hatte ihrer Familie zu gestehen was ihr passiert war. Alles Sachen von denen Nekro natürlich nichts wissen konnte, er war selbst erst zurück gekommen. Ich bemerkte seinen kurzen Blick und zog leicht eine Augenbraue hoch, was wollte er von mir? Als ich nun sah wie Masch versuchte sich zurück zu ziehen beschloss ich, dass es Zeit war etwas zu unternehmen. Ich trat also in die Küche und ging zu den beiden Zwillingen hinüber, wobei ich mich allerdings näher zu Masch stellte, da dieser weniger gefasst wirkte als Eli. Ich lächelte Nekro an und schrieb ein Wort auf einen Zettel, den ich ihm hinhielt. "Kaffee?" Ich deutete das Wort auch, damit vielleicht auch Masch und Eli meine Frage bemerkten. Ich wollte die Situation gerne etwas auflockern, ehe sie vielleicht noch eskalierte.

Ich merkte sehr wohl dass Mash sich zurück zog und hätte am liebsten nach ihm gegriffen und ihn zurück gezogen, weshalb ich auch eine Moment meine Hand hob - nur um diese wieder sinken zu lassen. Statt dessen legte ich nun meine zitternden Hände um Elis Gesicht, so dass ich sie wieder dazu bringen konnte mich anzusehen Ich werde euch IMMER lieben! Ihr seid meine Kinder! Mein Fleisch und mein Blut! Ich würde für euch töten! Einen Moment flackerte Blutdurst durch meine Augen, während ich zwischen Eli und Mash hin und her sah. Wer hatte es gewagt meine Kinder derart zu verängstigen? Wer? Ich bleckte sichtbar einen Moment die Zähne und ließ Eli dann los, besonders als Sandy in die Küche trat und etwas aufschrieb. Ich nickte leicht, auf die Frage hin Ein Kaffee..klingt gut..danke Sandy. Ich wollte mich wieder Mash zuwenden, was jedoch eine mehr als dumme Idee war, da so die frische Verheilung meiner Wunde wieder aufriss. Mit einem Aufkeuchen lehnte ich mich an einen der Küchenschränke an, ehe ich mit gesenktem Kopf irre zu kichern begann. Mein langer Pony fiel derart in mein Gesicht, dass man meine Augen nicht sehen konnte. Ich hielt mir nun die Seite und kicherte immer wilder vor mich hin. Dumpf lag der Geruch von Blut nun in der Luft.

Ich bemerkte, wie Masch sich zurück zog, hatte aber keine Ahnung, wie ich ihm helfen sollte. Immerhin hatte ich gerade auch selbst noch zu kämpfen, was aber keine Entschuldigung für mich war, nicht für mein Brüderchen da zu sein.
Papa nahm mein Gesicht in seine Hände und meine Augen weiteten sich überrascht, als ich seine Worte hörte. Allerdings machte mir die Mordlust, die kurz in seinen Augen aufflackerte, und das damit verbundene Zähneblecken ein wenig Angst. Ich schluckte und wusste nicht genau, was ich dazu sagen sollte.
Als Papa mich los ließ, bemerkte auch ich Sandy, er kam wirklich zu einem guten Timing. "Für mich auch einen bitte", antwortete ich ihm schließlich und lächelte ihn kurz darauf an.
Eigentlich wollte ich Masch noch ansprechen, allerdings nahm ich in diesem Moment den Blutgeruch wahr, der von Papa ausging. Meine Nasenflügel blähten sich und mein Blick schoss zu ihm. Das irre Kichern machte mir Angst, doch es verhinderte nicht, dass in meinen Augen etwas aufblitzte, das Papa bestimmt von sich kannte. Sekundenlang starrte ich ihn einfach nur an, während ich innerlich gegen mich kämpfte. Ich versuchte, mir dazu das Blutbad in Gedächtnis zu rufen, das ich angerichtet hatte, weil ich es nicht kontrollieren konnte.
Mein ganzer Körper war mittlerweile angespannt und ich ballte meine zitternden Hände zu Fäusten, während man an meinen Augen deutlich sehen konnte, was in mir vor ging. "Entschuldigt mich, ich... Ich muss weg", brachte ich heraus, steuerte die nächstgelegene Tür an. Ich musste weg, bevor ich jemandem etwas tat, der mir viel bedeutete.

Ich bekam nicht mehr viel von dem mit was passierte, ich war ja ohnehin nur eine Randfigur, ohne Bedeutung, es war ja sowieso besser so. Sandys Versuch die Situation zu klären ging ebenso an mir vorbei, wie das kichern unseres Vaters, nicht einmal der Geruch nach Blut drang zu mir durch. Ich wich einfach immer weiter einige Schritte zurück und verschwand dann ohne ein weiteres Wort durch die Tür zum Schlafzimmer. Ich war ein schlechter Sohn und ein noch schlechterer Bruder. Ich ließ meine Schwester einfach alleine, doch ich ertrug es einfach nicht mehr da draußen. Ich fiel kraftlos auf das Bett und rollte mich auf der Seite so klein wie möglich zusammen, die Arme um den Körper geschlungen, während ich einfach blicklos geradeaus starrte und mein Gehirn mir in bunten Worten erklärte was für eine schlechte Person ich war und, dass alles ohnehin meine Schuld war.

So viel dazu die Situation nicht eskalieren zu lassen. Der Kaffee war eben erst am durchlaufen, während Nekro sich wieder seltsam benahm, Eli plante zu verschwinden und Masch es einfach tat. Ich konnte mich aber nicht zwei teilen und da Eli momentan besser dran war als Masch, zumindest schien es mir so, fiel meine Wahl dann auf den jungen Mann, der sich wieder in meinem Schlafzimmer versteckte. Mit einem letzten besorgten Blick zu Eli eilte ich ihrem Bruder hinterher und sah ihn im Zimmer auf dem Bett liegen. Ich seufzte tonlos und setzte mich leise zu ihm. Ich konnte ja sowieso nichts sagen, also strich ich ihm für den moment nur leicht durchs Haar und beschloss, dass dieses Treffen offenbar keine gute Idee gewesen war.

Mir entgingen die Reaktionen meiner Kinder nicht, was mich tief in der Seele traf und schmerzte. Ich tat mein Bestes mich zu beruhigen, doch es war nahezu unmöglich. Eli...bitte..bleib.. brachte ich zwischen zusammen gepressten Zähnen hervor. Ich..weiß nicht was mit dir oder Mash geschehen ist. Bitte..ich brauche..euch.. Schwarze Flecken begannen vor meinen Augen zu tanzen. Wenn ich mich nicht zusammen riss, würde ich meine Kinder erneut verlieren, und dieses Mal vielleicht für immer. ELI! Komm her! Meine Augen begannen rötlich zu leuchten. Dieses Mal war es eine Mischung aus Befehl und Flehen, welches ich meiner Tochter nachrief, während ich langsam - noch immer kichernd - an dem Küchenschrank herab sank. Meine Eltern waren als solche nie für mich da gewesen, und ich hatte meine Kinder ebenso im Stich gelassen. Ich streckte meine rechte Hand in Elis Richtung aus, und sah zugleich durch den Vorhang meiner Haare in die Richtung wohin Mash verschwunden war. Mash.. Meine Stimme war kratzig, erstickt.

Ich schluckte, auch mir entging es nicht, wie die Situation schließlich eskalierte, und sowohl Masch, als auch Eli sich zurück ziehen wollten, erstere tat es sogleich. Da ich Nekro und Eli erst einmal Raum für sich geben wollte, zog ich mich mit Sandy zurück und setzte mich dazu, um Masch zu helfen.

Papas Bitte, nachdem Masch sich zurück gezogen hatte, war wie ein Stich ins Herz. Ich war zerrissen zwischen dem Wunsch, bei ihm zu bleiben und dem Wissen, dass ich vermutlich bald wieder den Verstand verlieren und jemandem weh tun würde. Wie gelähmt blieb ich an der gleichen Stelle stehen, während mein Körper noch immer zitterte. Ich musste ihm zumindest eine Chance geben und bleiben, solange es ging.
Zögerlich ging ich auf ihn zu und ließ mich auf die Knie fallen. Dabei hatte ich solche Angst, dass es erneut passierte, dass ich noch immer vollkommen verkrampft war. Mit zitternden Fingern ergriff ich seine Hand, während sein Kichern noch immer ein wenig angsteinflößend war.
"Papa, ich... Ich kann nicht... Die ganze Zeit... Bei dir bleiben, ich... Ich muss Abstand zu euch einnehmen...", brachte ich erstickt heraus und versuchte, den Blutgeruch weiter zu ignorieren, weil ich wusste, dass es dadurch immer anfing, "Es ist aber nicht... Ich will euch einfach nicht verletzen, okay? Wenn es wieder passiert... Soll keiner von euch in meiner Nähe sein... Ich hab Menschen getötet. Und Vampire. Und es hat mir..." Ich brach ab. Durch die ganze Sache war ich immer noch angewidert von mir selbst. Und die Sorge, dass es wieder geschah, fraß mich mit der Schuld und Angst beinahe von innen auf.

Ich sah geradeaus ohne etwas zu sehen, ich rührte keinen Muskel, als Sandy und Nahuel sich zu mir gesellten, auch nicht als ersterer begann mir durch die Haare zu streichen. Ich wollte mich nicht bewegen. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich hatte keine Energie dafür, ich wollte einfach nur weiterhin eingerollt hier liegen bleiben, da dies das einzige war wozu ich nütze war.

Niedergeschlagen beobachtete ich Masch, auch wenn es da nicht viel zu beobachten gab, ehe ich hilfesuchend Nahuel ansah, der auch mit ins Schlafzimmer gekommen war. Ich wollte Masch so gerne helfen, doch ich wusste nicht recht wie, ich wusste, dass er unter Depressionen litt, wir hatten viel geredet seit ich ihn wieder gefunden hatte. Was draußen vor sich ging konnte ich nicht hören, die Tür hier her war ziemlich dicht, damit ich wirklich in Ruhe schlafen konnte.

Erleichterung durchströmte mich, als Eli sich zu mir kniete - ja meiner Bitte nachkam. Eli.. Ich zog meine Tochter trotz meiner Schmerzen an mich. Sch..sch..du..bist..wie ich Kleines. Ich rückte zittern meine Lippen gegen Elis Stirn und schloss die Augen. Ich konzentrierte mich nun auf das Gefühl meine Tochter in meinen Armen zu halten, um das was in mir hoch drang zu unterdücken. Ich..ich habe euch nie erzählt wohin ich gehe, wenn ich sagte dass ich arbeiten muss. Kleines..auch ich habe Menschen und Vampire getötet - und würde es jederzeit wieder tun um dich und Masch - und auch eure Mutter zu beschützen. Meine Hände zitterten, als ich diese u Elis Gesicht legte. Ich habe keine Angst vor dir..ich habe viel mehr Angst vor..vor mir selbst.. Gestand ich dann leise und lehnte meine Stirn an die von Eli. Es schmerzte mich, dass Mash nicht bei uns war. Wie sollte - konnte ich zu meinem Sohn durch dringen? Wie nur?

Wieder stiegen Tränen in mir hoch. Ich schämte mich noch immer für das, was da geschehen war. Papa zog mich an sich und ich versuchte, so gut es ging, ruhig zu bleiben, während mich seine Worte ein wenig verwirrten, da ich anfangs nicht verstand, was er damit meinte, dass ich wie er sei. Ich blinzelte.
Als er mein Gesicht in seine Hände nahm, sah ich ihn an, und bald lehnte er seine Stirn gegen meine. Auf den kurzen Teil bezüglich Mama wollte ich gar nicht erst eingehen. Während Papa hier alles versuchte, war es ihr anscheinend vollkommen egal, was Masch und ich durchgemacht hatten. Was alles solange passiert war.
"Wie schaffst du es, das die ganze Zeit zu kontrollieren?", wollte ich dann mit zitternder Stimme von ihm wissen, "Ich habe nicht getötet, um zu schützen. Am Ende habe ich es nur getan, weil... Es hat Spaß gemacht..." Ich schlug leicht die Augen nieder. "Ich wusste gar nicht so richtig, dass... Ich kann das erste Mal wirklich verstehen, was es heißt, immer in Angst vor sich selbst zu leben." Ich schluckte. Bleib ruhig Eli. Du riecht kein Blut. Alles ist gut. Du musst nachher noch nach Masch sehen...