Während Masch sich um sich selbst kümmerte, wusch ich mir schnell mein Gesicht und noch einmal meine Hände, bevor ich mich dann daran machte mich anzuziehen. Dieses Mal einen anderen Anzug, dunkelgrau mit hellblauen Nadelstreifen. Darunter ein dunkelblau-weiß gestreiftes Hemd mit einem ebenso dunkelblau-weiß gestreiften Einstecktuch und einer dunkelbrauen Krawatte. Meine Socken waren ebenfalls dunkelblau-weiß gestreift und darüber trug ich dunkelbrauen Oxford-Anzugschuhe. Es war mir schon immer wichtig gewesen gut gekleidet zu sein, egal was für eine Situation mir sich bot, für meine Arbeit war es natürlich ebenso wichtig, aber es war eine der Sachen, über die ich immer schon Kontrolle gehabt hatte. Ich war gerade dabei mir meine Manschettenknöpfe zuzumachen, als plötzlich an meinem Ärmel gezogen wurde. Ich drehte mich sofort zu Masch um, einen Moment starrte ich ihn einfach nur sprachlos an. Er hatte seinen süßen, hellblauen Pullover mit den Katzenohren abgelegt und trug nun meinen eigenen dunkelblauen Pullover. Erstaunt musterte ich ihn einmal von oben bis unten, mein Pullover war ihm viel zu groß, es war zu erwarten gewesen, aber er hing ihm bis zu den Oberschenkeln herab, wirklich wie ein Kleid. Er sah auch ein wenig wacher aus, jetzt wo die Tränenspuren von seinen Wangen verschwunden waren und seine Haare wieder etwas geordneter wirkten, von dem was ich vorher unter der Kapuze seines Pullovers sehen hatte können. Ja, natürlich., sagte ich dann schnell, als ich bemerkte, dass ich noch nicht geantwortet hatte und hielt ihm dann ohne zu zögern mein Handy hin, Hier.

Als Masch so unsicher zu Boden sah, fühlte ich mich beinahe etwas ertappt, ich entschuldigte mich eigentlich grundsätzlich nie, aber ich fühlte mich doch etwas schlecht dafür, dass ich ihn so angestarrt hatte, auch wenn es eigentlich nicht im negativen Sinne gedacht gewesen war, aber das konnte er schlecht wissen. Ich überlegte kurz hin und her, was ich sagen sollte, während er seine Nachricht versandte. Keine Ursache. Du kannst es benutzen, wann du willst., versicherte ich ihm, während ich das Handy wieder wegsteckte. Jetzt kam der schwere Teil, über das zu sprechen, warum ich Masch zuvor nicht sofort geantwortet hatte, ohne ihn abzuschrecken. Konnte ich ihm sagen, dass er besser aussah? Ich war nicht gut darin auf Gefühle anderer zu achten, aber etwas an Masch löste etwas in mir aus, dessen Ausmaß ich mir selber noch nicht bewusst war. Schau, ich habe dich vorher nicht angestarrt, weil etwas falsch an dir ist, du siehst nur... besser aus. Wie fühlst du dich?

Mein Blick lag weiterhin ununterbrochen auf Masch, genauso wie meine gesamte Aufmerksamkeit, ich hätte aber auch gar nicht anders gekonnt. Der Blick zur Seite gepaart mit der dezenten Röte auf seinen blassen Wangen und wie er sich auf die Unterlippe biss, ließ mich leise die Luft einziehen. Wäre ich nicht, naja, ich und hätte ich ihn unter anderen Umständen getroffen, hätte ich ihm sogar ein richtiges Kompliment gemacht. Einen Moment zögerte ich, als ich hörte, was er zu sagen hatte, bevor ich ihm eine meiner Hände wieder vorsichtig auf die Schulter legte. Ich ging extrem sanft mit Masch um, bisher jedes Mal, wenn ich ihn berührt hatte, hatte ich das mit größter Umsicht getan und ich hatte auch nicht vor das zu ändern. Du kennst mich nicht, aber ich bin nicht dafür bekannt etwas schönzureden und ich... sehe nichts an dir, was falsch ist., sagte ich schließlich, bevor ich ihn aufmerksam musterte, Aber das bedeutet nicht, dass du in Ordnung bist und es ist nichts falsch daran, nicht in Ordnung zu sein. Ich konnte vielleicht nicht einfach erraten, von was Masch versuchte wegzulaufen oder was er zu verstecken versuchte, aber es war nichts falsches an ihm. Denn nichts konnte daran falsch sein, wenn man nicht in Ordnung war, ich konnte mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, in der ich ebenfalls nicht in Ordnung gewesen war.

Das ist mehr als genug., sagte ich und da war es, für einen winzigen, kurzen Moment, ein umso winzigeres Lächeln, das sich auf meinem Gesicht festgesetzt hatte. Ich war niemand, der viel lächelte, Masch wirkte vielmehr wie jemand, der eigentlich viel lächelte, aber es gerade nicht konnte. Ich würde ihn allerdings wirklich gerne ehrlich lächeln sehen, eine Feststellung, die mich selbst ein wenig erschreckte, aber ich ließ mir nach außen hin natürlich nichts davon anmerken. Einen kürzen Moment drückte ich sanft Masch's Schulter, bevor ich sie wieder losließ. Ich versuchte die Lampe neben meinem Bett, aber scheinbar war der Strom noch immer nicht wiedergekehrt. Noch immer kein Strom., grummelte ich leise und schaltete die Lampe, die sowieso nicht funktionierte, wieder aus, Gibt es etwas, das du tun möchtest oder soll ich entscheiden? Wir hatten aus meiner Sicht zwar einige Optionen, auch ohne Strom, aber ich wollte lieber auf Masch Rücksicht nehmen und abwarten, was er dazu zu sagen hatte. Mein Fokus lag noch immer vollkommen auf ihm, es war wie beim arbeiten, wenn ich konzentriert war, ich konnte kaum damit aufhören.

Nun, offenbar wollte er nicht nachhause, wenn er mich entscheiden ließ, falls er denn ein zuhause hatte, ich war mir generell nicht sicher, er hatte zwar jemandem geschrieben, ich hatte die Nachricht nicht gelesen, aber wer wusste schon, ob er wirklich jemanden hatte, der auch auf ihn aufpasste. Offenbar zumindest nicht gestern, immerhin war er beinahe von unserem goldenen Trio im Auftrag von diesem "Dylan", dessen genauere Daten ich wohl noch herausfinden musste, attackiert worden und dann auch noch mit einem völlig Fremden mit nachhause gegangen. Ich nickte also und überlegte dann gar nicht lange, spazieren gehen wäre durchaus eine Option, aber irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass ich ihn jetzt schon teilen wollte. Okay, komm mit., meinte ich und machte dann ein paar Schritte zur Couch hinüber, die direkt neben dem Balkon stand. Ich schob den Couchtisch etwas zur Seite und begann dann nach den weichsten Decken zu suchen, die ich zu bieten hatte.

Eine äußerst kuschelige Decke breitete ich über die Sitzfläche der Couch hängend aus, sodass sie auch auf dem Boden hängte und deutete dann für Masch auf den Punkt direkt vor der Couch, sodass er sich mit dem Rücken an ihr anlehnen konnte. Ich hatte noch eine zweite Decke bereit, die ich ihm in die Hand drückte, womit er sich einwickeln konnte, wenn er wollte. Er wirkte so dünn auf mich, ich wollte nicht, dass ihm auch noch kalt war. Ja, du kannst dich hinsetzen und dir überlegen, wie du gegen mich in Schiffe versenken gewinnen wirst., sagte ich mit einem tatsächlich leicht belustigten Unterton, ich hatte mich für ein sehr einfaches Spiel entschieden, genauer gesagt das einzige, was ich hatte. Ich holte einen Block hervor, von dem ich eine Seite behielt und den Rest Masch gab. In der linken Seite konnte man seine eigenen Schiffe verstecken, wie viele und von welcher Größe war unten notiert. An der rechten Seite konnte man sich notieren, wo man bereits hingeschossen hatte und wo man eventuell ein gegnerisches Schiff getroffen hatte. Ich setzte mich ebenfalls auf den Teppich, dafür öffnete ich meine Anzugsjacke, dort wo ich für Masch hingedeutet hatte, gegenüber. Ich war nicht so gut darin Fragen zu stellen oder generell andere Leute kennenzulernen, also hatte ich nach einer Idee gesucht. Wenn du eines meiner Schiffe triffst, erzähle ich dir etwas über mich. Wenn ich eines deiner treffe, dann du mir über dich. In Ordnung? Ich sah Masch fragend an. Er interessierte mich, tatsächlich, ich wusste selbst nicht genau warum, aber solange er hier war, würde ich versuchen ihn etwas besser kennenzulernen und im besten Fall seine Stimmung etwas zu heben. Im allerbesten Fall war mir auch noch einmal der Anblick seiner erröteten, blassen Wangen vergönnt.

Masch wickelte sich in die Decke ein, was mir sehr recht war, er wirkte so, als würde er alle kuscheligen Decken der Welt brauchen. Ich war froh, dass er mein Angebot annahm, er hatte bis jetzt vielleicht nicht viel gesprochen, aber es konnte ja sein, dass so ein einfaches Spiel ihn aufmunterte. Um ehrlich zu sein, ich spielte Schiffe versenken höchstens auf der Arbeit aus Langeweile, jemand von der Arbeit hatte mir auch diesen Block geschenkt, ich wusste allerdings schon gar nicht mehr wer. Mutig musste er oder sie aber gewesen sein, die meisten hielten eher ihren Abstand zu mir und das vollkommen zurecht. Mein Schlachtschiff, das größte, verteiltet ich auf I2345, meine zwei Kreuzer verteilte ich auf ABC2 und ABC3, meine drei Zerstörer auf C67 und E67, sowie meine vier kleinsten Schiffe, die U-Boote, auf B9, E3, F2 und G3, möglichst verteilt also. Du beginnst., meinte ich und nickte Masch aufmunternd zu, immerhin konnte er so höchstens eines meiner Schiffe treffen und somit musste ich zuerst etwas von mir erzählen, ich hoffte ihn damit nicht unter Druck zu setzen, ich würde es auch akzeptieren, wenn er nichts erzählen wollte, aber ich wusste, ich konnte manchmal, oder eher eigentlich immer, ganz schön einschüchternd wirken, selbst wenn ich es nicht wollte. Gerade wirkte ich allerdings nicht so, ich konnte es selbst nicht sehen, aber ich war anders als sonst, ich würde später noch mehr verstehen, aber gerade noch nicht.

Einen Moment blinzelte ich Masch erstaunt an, als er ohne zu zögern genau den richtigen Punkt traf. Er traf auch noch ein U-Boot, die eigentlich am schwierigsten zu versenken waren, da sie ja nur ein Feld groß waren. Nun, da würde ich mich wohl warm anziehen müssen, aber ich war ehrlich, also sagte ich in tiefer, beinahe etwas belustigter Stimme, Getroffen und versenkt. Es erstaunte mich selbst, aber nicht einmal, wenn er einen absoluten Glückstreffer machte, konnte ich wirklich grummelig sein. Nicht, wenn er da so saß, in meinen viel zu großen Klamotten, die Decke um sich gewickelt. Nun gut, ich würde wohl etwas von mir erzählen müssen, auch wenn es da meiner Meinung nach nicht besonders viel herausragendes zu erzählen gab. Ich bin auf der Straße aufgewachsen., sagte ich also, es war knapp und sehr direkt, allerdings würde Masch noch mehr als genug Möglichkeiten haben, um etwas aus mir herauszukriegen, alleine der Anfang machte mich nervös. Wenn er es ausreizte würde er immerhin mehr als genug über mich erfahren können, wir hatten zehn Schiffe, das bedeutete insgesamt zwanzig Sachen, die er erfahren könnte. Es ging etwas hin und her, bis ich sagte, B2.