Es war keine schöne Sache gewesen und mein Vater hatte damals schon empfindlich auf das Thema "Vampire" reagiert, im nachhinein hatte ich mich oft gefragt warum, aber er hatte mir nie eine genaue Antwort geliefert, als ich ihn gefragt hatte. Schließlich kam allerdings das Thema von vorhin wieder auf und ich war froh darum, genau wie das die Bedienung auftauchte, der ich kurz dankbar zunickte, sie aber nie direkt ansah. Mein Espresso und der Schinken-Käse-Toast waren gekommen, weshalb sich Danbi nun auch wieder von Ayumi löste und neugierig zu dem Toast hinüberging und daran schnupperte.

Danbi verließ mich und ich zog meinen Latte Macchiato an mich heran, von dem ich ganz frech zuerst den Schaum herunter löffelte, denn den mochte ich sehr gerne, ehe ich den gebotenen Strohhalm nutzte um den ersten Schluck zu tun, vorsichtig natürlich, denn der Kaffee unten war noch sehr heiß.

Ich wusste überhaupt nicht, wo ich beginnen könnte Ayumi etwas über die Vergangenheit zu erzählen, aber ich beschloss es einfach bei meiner Mutter zu tun, denn sie war immerhin wirklich vor langer, langer Zeit geboren worden. Auch wusste ich nicht wirklich, ob Ayumi schon wollte, dass ich damit anfing oder ob ich schon zu lange gewartet hatte, also beschloss ich einfach jetzt oder nie. Meine Mutter ist im letzten dynastischen Königreich von Korea geboren worden, mein Vater war ein französischer Arzt., begann ich ganz simpel, während ich Danbi Stücke vom Toast fütterte, Meine Mutter war gebildet in koreanischer Medizin, aber auch eine streng gläubige Buddhistin. Ich selber war ebenfalls Buddhistin, wenn auch nicht so streng gläubig, wie es meine Mutter gewesen war, aber ich hatte dieselbe Lebensphilosophie angenommen, deshalb trank ich auch kein Tierblut und aß selber kaum bis gar kein Fleisch.

Ich sah Victorine interessiert an, als sie zu sprechen begann, sie hatte meine volle Konzentration, schon alleine weil sie eben sie selbst war, aber auch, weil mich wirklich interessierte was sie da zu erzählen hatte. Das ist eine interessante Kombination, wie haben sie sich kennen gelernt?

Ich war sehr froh darum, dass Ayumi Fragen stellte und ich sah sie kurz dankbar an, bevor ich meinen Blick wieder ein wenig im Raum umherschweifen ließ. Mein Vater interessierte sich sehr für die Koryo-Medizin und meine Mutter war die einzige, die bereit war, ihm über Pflanzenheilkunde, Akupunktur und Moxibustion alles beizubringen, was sie wusste., erzählte ich also weiter, ich beschloss nicht gleich zu viel zu erzählen, auch wenn es mir ein wenig in den Fingern juckte, das zu tun, stattdessen beschäftigte ich mich mit Danbi, um sie zu füttern, Es war kein einfaches Leben für sie, da in der Zeit damals in Korea der Konfuzianismus als nationale Philosophie angenommen wurde.

Klingt als wäre sie eine gute, mutige Frau gewesen. Ich lächelte als ich das sagte, auch weil ich mir vorstellte, dass Victorine diese Eigenschaften sicherlich von ihrer Mutter geerbt hatte, auch wenn ihr Vater ebenso keinesfalls schlecht klang. Das muss wirklich schwer gewesen sein. Deine Mutter ist deinem Vater dann also nach Frankreich gefolgt?

Ganz kurz lächelte ich ebenfalls, auch wenn ich eher Danbi anlächelte als Ayumi, es war doch an sie gerichtet, denn denselben Eindruck hatte ich auch gehabt von meiner Mutter, nur hatte ich leider nicht allzu viel von ihr selber erfahren können. Ich nickte also, sie war auch mehr oder weniger aus ihrem eigenen Land vertrieben worden aufgrund ihrer Religion, aber das war wohl noch eine ganz andere Geschichte. Als sie in Frankreich ankamen, bemerkte meine Mutter, dass sie schwanger war., fügte ich hinzu, Aber meine Eltern haben nie geheiratet. Trotzdem hatte ich nach der Geburt den Nachnamen meines Vaters bekommen, aber so waren die Zeiten eben damals gewesen, der Mann hatte die Kinder bekommen, theoretisch zumindest, nicht dass es bei meinen Eltern so gewesen wäre, aber zum Heiraten waren sie niemals gekommen.

Ich sah erfreut wie Victorine lächelte, wenn sie mich dabei auch nicht sah, aber es war ein Anblick, den ich nicht vergessen wollte. Ich mochte es sehr, wenn sie lächelte, es erhellte ihr ganzes, feines Gesicht Eine Hochzeit hat ja in Wahrheit nichts zu bedeuten, die Hauptsache waren ihre Gefühle zu einander. Immerhin waren meine Eltern verheiratet gewesen und das hatte auch absolut nichts gebracht.

Das ist wahr, aber damals waren die Zeiten andere. Meine Eltern kamen auch nie dazu, meine Mutter verstarb nach meiner Geburt an Tuberkulose. Heutzutage war so etwas unglaublich, dass so etwas damals hatte passieren können, aber so waren die Zeiten eben damals gewesen, vollkommen andere. Mein Gesichtsausdruck verriet nicht viel darüber, wie ich mich gerade fühlte, natürlich war ich immer noch ein wenig traurig, aber ich hatte es auch gut verarbeitet und es fiel mir generell schwer Emotionen zu zeigen. Ich trank meinen Espresso aus. Ich habe bei meinem Vater also in Paris gelebt, er war ein angesehener Arzt, ich habe viel von ihm lernen können.

Das tut mir sehr leid, das muss schwer gewesen sein, auch für deinen Vater. Nicht nur hatte er die Mutter seines Kindes verloren, aber er war auch nich mit eben diesem alleine gewesen und wie ich selbst wusste war es nicht einfach ein Kind alleine großzuziehen, meine Mutter hatte es versucht und war gescheitert, es hatten sich viel mehr die Hausangestellten um uns gekümmert. Auch dein Vater klingt nach einem beeindruckenden Mann.

Ich wusste nicht wirklich, was ich darauf sagen sollte, es war einfach schon sehr lange her, aber Ayumi hatte natürlich recht, es war wirklich schwer gewesen, vielleicht sogar vor allem für meinen Vater, ich hatte meine Mutter immerhin nie wirklich kennenlernen können. Die Zeiten mögen anders gewesen sein, aber ich denke, er wäre auch nach heutigen Maßstäben ein guter Elternteil gewesen., stellte ich schließlich fest, früher waren Ansprüche an Eltern ganz andere gewesen, ich sah nun doch deutlich interessiert zu Ayumi, Wie war es heutzutage aufzuwachsen? Mit all dieser Technik.

Das ist sogar noch beeindruckender, alles was man sonst so über die Kindererziehung damals hört grenzt an Horrorgeschichten. Natürlich war klar, dass nicht alle Eltern so gewesen waren, auch damals hatte es gute und schlechte Eltern gegeben, aber über dienerste Fraktion hörte man heute kaum noch etwas. Vermutlich wesentlich einfacher als bei dir damals, als Tochter eines Clananführers hat es uns auch nie an Geld oder so etwas gemangelt, wir haben Angestellte die alles im Haus erledigen... Allerdings waren meine Eltern recht abwesend in meiner Kindheit, ich hatte die meiste Zeit nur die anderen Kinder im Clan und meinen Bruder. Kaito... Ich musste mit ihm reden, vor allem solange ich noch ein Hoch hatte. Ich war immer noch verletzt, ich konnte kaum fassen, dass er wieder da sein sollte, aber er war doch mein Zwilling, die Person die mir immer am nächsten gestanden war und es auch noch tun sollte.

Es hat sich auch lange nicht gebessert., gab ich sehr direkt und ehrlich zurück, Kindererziehung war etwas, das sich überhaupt erst in den letzten Jahren so etabliert hatte, dass man es vertreten konnte, zumindest in den meisten Fällen, es gab natürlich immer noch diejenigen, die es nicht geschafft hatten mit der Zeit zu gehen, auch wenn ich mich fragte wie. Ich war immerhin schon sehr, sehr lange auf dieser Welt und trotzdem kam ich mit dem meisten ganz gut zurecht, ich hatte auch immer lange Zeit gehabt mich daran zu gewöhnen. Wie die Kinder eines Königs., merkte ich nachdenklich an, es erschien mir ein passender Vergleich, bevor ich vorsichtig fragte, Wer hat euch dann großgezogen?

Die Kindheit ist doch noch eine sehr neue Erfindung. Ich hatte einige Geschichtskurse belegt und belas mich selbst auch sehr gerne über geschichtliche Themen, da sammelte man doch einiges an Wissen an. Ich nahm einen Schluck von meinem Kaffee, mein Lächeln wurde eine Spur melancholisch, aber es blieb. Ein treffender Vergleich, genau so haben wir unsere Eltern auch nur hin und wieder gesehen und wurden mehr vom Personal erzogen als von unseren Erzeugern. Ich schüttelte den Kopf und hellte mein Lächeln wieder auf. Aber wir hatten ja einander, ich hatte meinen Zwilling und die anderen Kinder sind auch irgendwie wie meine Geschwister, oder von mir aus Cousins und Cousinen.

Etwas erstaunt sah ich Ayumi an, ich hatte mir nicht gedacht, dass sie dieses Bewusstsein dafür gehabt hatte, aber zugegeben, man konnte heutzutage sich über sehr viele Dinge sehr schnell informieren, es war vollkommen anders geworden, seitdem Information so eine breit gesäte Ware im Internet geworden war, aber auch genauso viel falsche. Hast du Geschichte näher studiert?, fragte ich nun tatsächlich neugierig, man bemerkte, dass es mir immer leichter und leichter fiel mit Ayumi zu sprechen, irgendwie war es gar nicht so schlimm, jetzt wo ich bemerkt hatte, dass sie kein Problem mit meiner grundsätzlichen Art war und auch kein schlimmer Vampir. Sie erinnerte mich ein klein wenig an Sandy, aber ich konnte es nicht genau sagen warum. Ich beobachtete sie mit vollem Interesse, während sie von ihrer Kindheit erzählte, die auch gar nicht so einfach gewesen sein konnte. Geschwister müssen nicht immer blutsverwandt sein, ich hatte viele Fälle, in denen es trotzdem Geschwister waren, ohne jedes Blut, aber auch genauso leibliche Geschwister, die keine Geschwister waren. Nachdenklich sah ich zu der fröhlich schmatzenden Danbi.