(Sonnenwiese)

< Kaitos Zimmer

Ich hatte dringend meinen Kopf frei bekommen müssen - raus aus dem Kopf und rein in den Körper. Sport war neben der Musik inzwischen eines meiner liebsten Mittel um mich abzulenken. Ich war doch etwas hin und her gerissen wegen der gesamten Sache mit Sandy. Der Typ hat mir den Kopf komplett verdreht, echt jetzt. Aber auch noch viel mehr wegen der Sache mit Ayumi - und auch unserer Mutter. Ich versuchte bei Ayumi mich wirklich hinein zu versetzen, aber bisher hatte ich im Internet Mal mehr und Mal weniger Erfolg zu verzeichnen gehabt. Nicht alle Seiten konnten es wirklich gut erklären und da Ayumi keine offizielle Diagnose hatte, musste ich mir auch eingestehen das ich nicht genug über mentale Gesundheit wusste. Es war bei uns auch nie wichtig gewesen.

Es war kühl aber das hatte mich nicht gestört. Stattdessen zwang ich mich trotzdem dazu im T-Shirt zu trainieren damit mir auch warm blieb. Einen Pullover für nachher hatte ich dabei - damit ich dann nicht erfrieren würde. Eine Wasserflasche stand nicht weit von mir am Boden neben dem Pullover gelegen. Aber just in diesem Moment machte ich gerade Kniebeugen mit einer Kugelhantel. 4, ... , 5, ... Puh, wie anstengend ... , 6, ...

Mein Trainingsgewand bestand aus einer gelben Trainingshose, einem weißen T-Shirt und einer gelben Trainingsjacke mit weißen Streifen an den Ärmeln. Gelb war einfach meine Lieblingsfarbe und ich fand sie stand mir auch äußerst gut. Ich war verschwitzt und aufgeheizt, als ich in den Garten der Villa einbog, ich hatte die Route durch den Wald genommen, da waren weniger Leute und der Boden war weicher. Ich sah vor mir schließlich Kaito auftauchen und konnte mich, trotz der trüben Gedanken, die mich umwabberten, nicht eines Lächelns erwehren, als ich den anderen Vampir da sah, er war offenbar auch am Trainieren. Ich zog die Kopfhörer aus meinen Ohren und brachte Kaitos Track zum verstummen, während ich zu dem jungen Mann hinüber joggte und die Hand zum begrüßen hob.

Als wäre er meinen Gedanken entsprungen... Wenn man von der Sonne sprach, dann schien sie offenbar auch, denn als hätte ich ihn in meinen Gedanken herbei gerufen bog Sandy nun um die Ecke. Er trug eine Art Trainingsgewand, ich konnte nicht anders als ihn ausgiebig zu mustern. Ein paar kleine Schweißtropfen fanden gerade den Weg über seine Stirn und ich folgte ihnen mit sehr aufmerksamen Blick. Gelb steht ihm wirklich gut. Aber das Weiß ebenso...
"Sandy, Hi!"
Ich hob ebenfalls die Hand und legte die Kugelhantel ab. Mit einem metallischen Geräusch berührte sie den Boden und blieb dort liegen. Meine Füße unterdessen bewegten sich wie automatisch auf Sandy zu und ich breitete meine Arme aus. Ich habe ihn vermisst. Ich war selbst verschwitzt aber eine Umarmung würde ich mir nicht entgehen lassen.
"Ist alles ok bei dir?"
Dennoch hatte ich das Gefühl, er war nicht ganz auf der Höhe. Als wäre er nicht ganz fit.

Ich konnte nicht anders, ich warf mich förmlich in die von Kaito angebotene Umarmung und schloss meine Arme hinter seinem Rücken zusammen. Es war eine reine Wohltat, diese körperliche Nähe, vor allem nachdem ich mich nun so alleine gefühlt hatte, noch mehr als es noch während meiner Beziehung mit Nahuel der Fall gewesen war. Ich zögerte kurz was ich auf seine Nachfrage antworten sollte, ob ich behaupten sollte, dass alles gut wäre, oder ob ich ehrlich sein sollte, doch schließlich Entschied ich mich für Letzteres, Kaito machte es mir aber auch so leicht ehrlich zu sein, ich wollte ihn nicht anlügen und wenn er schon Fragte... Ich schüttelte also den Kopf und genoss die Umarmung noch ein paar Momente länger, ein paar Momente zu lange vermutlich, ehe ich mich wieder langsam von dem anderen Vampir löste, da er ebenso verschwitzt gewesen war wie ich hatte ich kein schlechtes Gewissen, weil ich ihn vielleicht hätte durchweichen können. Nicht wirklich, aber ich hatte gehofft dich zu sehen. Ich sah zu den Hanteln hinunter und lächelte interessiert. Ich hoffe ich störe dich nicht zu sehr beim Training?

Sofort nahm ich Sandy in meine Arme auf. Ich fasste zuerst seine Seiten mit meinen Händen und ließ meine Hände dann an seinen unteren Rücken gleiten. Dort legte ich sie leicht übereinander, um Sandy weiter an mich zu ziehen. Ich spürte seine Wärme und er sicher auch meine. Warm und nass. Ich musste etwas grinsen. Ich spürte auch das er mindestens so sehr verschwitzt war wie ich. Das tut so sehr gut. Es war wirklich schön ihn einfach in meinen Armen halten zu können. Ich lächelte sanft und begrüßte ihn noch ein Mal sanft und leise.
"Hey"
Als er den Kopf schüttelte zogen sich meine Augenbrauen zusammen. Was kann nur passiert sein? Ich machte mir schon ein wenig Sorgen. Er war immerhin hier in meinen Armen - aber es konnte selbstverständlich alles Mögliche passiert sein. Er löste sich auch schon wieder aus meiner Umarmung und ich musterte ihn sofort genauer. Ich wollte dich auch wieder sehen. Ich lächelte breit als ich seine Worte an mich hörte.
"Ich dich auch."
Ich schüttelte sofort den Kopf. Was kann nur passiert sein?
"Niemals. Du darfst mich immer gerne stören. Sollen wir uns hinsetzen? Dann können wir reden, wenn du reden willst natürlich."

Pass auf, sonst nehme ich dich noch beim Wort. Ich sah Kaito belustigt an, für den Moment fühlte sich mein Herz so viel leichter an, als es eigentlich war, der andere Vampir schien einfach diesen Einfluss auf mich zu haben. Ich nickte auf seinen Vorschlag hin zustimmend, allgemein reden klang sehr gut, auch weil alles besser war als wieder alleine in meiner Wohnung zu sitzen. Ich hakte mich also einfach bei Kaito ein und zog ihn in Richtung Haus, zur Terrasse, auf der man sich gut niederlassen konnte.

"Bitte bitte tu das."
Zum Teil mit Humor gemeint und zum Teil absolut einfach nur ehrlich. Ich wollte das mich Sandy immer störte. Denn er störte mich eigentlich überhaupt nicht, ich war so froh, ihn endlich wieder gesehen zu haben. Ob ihm das Lied wohl gefallen hat? Ich war mir nicht sicher - ich hatte nie eine Antwort erhalten oder sie wenn dann übersehen. Am Liebsten wollte ich ihn direkt fragen, aber zuerst ging es zur Terrasse. Außerdem war das von Sandy sicher gerade wichtiger.
"Ich habe mir Gebärdensprache wieder etwas mehr angeguckt."
Ich lächelte stolz und setzte mich dann auf die nächste Sitzgelegenheit bevor ich auf den Platz neben mir auf der Bank mit der flachen Hand klopfte.
"Ich hoffe ich kriege das alles hin. Aber nun ja. Hau einfach raus, sobald du bereit bist."
Was ihm wohl passiert ist? Ob es etwas mit seiner Beziehung zu tun hat? Oder am Ende mit mir? Meine Gedanken hielten ganz und gar nicht die Füße still. Ich war nervös aber auch voller Hoffnung das es etwas war bei dem ich Sandy auch tatsächlich helfen konnte. Was Ayumi wohl gerade macht? Bestimmt Wichtiges.

Wirklich? Danke. Ich lächelte Kaito überrascht, aber auch sehr angetan an und ließ mich auf der Bank neben ihm nieder. Es war alles andere als gewöhnlich, dass sich jemand solche Mühe für mich gab, Gebärdensprache war eben doch eine andere Sprache, die man erst lernen musste und da ich andere ja selbst verstehen konnte, ich war schließlich nur stumm und nicht taub, unterließen es viele einfach gleich meine Sprache zu erlernen. Ich saß wesentlich dichter neben Kaito als ich wohl gesollt hätte, aber ich wollte einfach zu gerne etwas von seiner Körperwärme abhaben. Mir war selbst nicht unbedingt warm, aber es war doch etwas anderes die Wärme eines anderen zu spüren. Ich war mir erst nicht sicher ob ich wirklich erzählen sollte was passiert war, ich wollte Kaito immerhin nicht belasten, er hatte selbst mehr als genug Dinge die ihm im Kopf herumschwirrten, Dinge nach denen ich auch noch fragen wollte. Schließlich entschied ich mich aber doch dazu das Angebot anzunehmen, dass er mir "zuhören" würde, ich wusste ja theoretisch, dass es gut war über Sachen zu sprechen, die einen belasteten. Zwischen meinem Freund und mir ist es aus, wir haben Schluss gemacht und er ist ausgezogen, er will die Welt bereisen und sich selbst finden. Ich schätze ich bin ohne ihn wohl auch trotzdem noch einsam.

Er wirkt so überrascht. Breit grinste ich, doch schüttelte dann nur den Kopf.
"Kein Grund zum Dank. Noch weißt du gar nicht wie viel ich schon wieder vergessen habe."
Ich spürte wie seine Seite meine eigene streifte - seine Trainingsjacke gegen mein T-Shirt. Wie automatisch lehnte ich mich etwas näher zu ihm und betrachtete mir sein Gesicht genauer. Er wirkte doch deutlich mitgenommener von der so nahen Nähe und wenn ich ihn nicht so fest umarmte, jetzt wo er direkt neben mir saß. Ich hob vorsichtig meine Hand an und streckte meine Finger aus. Ganz vorsichtig lehnte ich meine Hand zwar an meinem Bein wieder ab aber streifte mit meinen Fingerspitzen seinen Oberschenkel. Ach du... Was ist da denn passiert?
"Dieser Idiot."
Das war das Erste, was mir eingefallen war. Ich sah Sandy etwas verlegen um Worte an.
"Ich meine, er hat es geschafft sich einen Hammer-Typ wie dich zu angeln und dann so etwas? Ist etwas denn vorgefallen oder habt ihr einvernehmlich Schluss gemacht? Du musst nichts erzählen, geht immer klar, nur weil wir das letzte Mal etwas darüber gequatscht hatten."
Das bedeutet er ist wieder frei. Ich wollte diesen Verräter von einem Gedanken ganz schnell wieder verstummen lassen. Denn es war nun mal nicht das Relevante hier - ich wollte für Sandy da sein. Aber trotzdem beschäftigte es mich und mehr als nur das.
"Sandy, ach das tut mir so leid. Kann ich was tun damit du dich weniger einsam fühlst?"
Ich sah ihn hoffnungsvoll an. So einsam...

Ich spürte deutlich wo sich unsere Körper berührten, nicht nur an unseren Seiten und Schultern, sondern bald auch Kaitos Finger, die an meinen Oberschenkel striffen. Ich stieß in einem stillen Lachen die Luft aus, auch wenn mein Blick immer noch müde und etwas verloren war, so sehr Nahuel und ich uns auch von einander entfernt hatten, so waren mehr als fünf Jahre zusammen doch eine sehr lange Zeit und es war schwer aus dem alten Trott herauszukommen. Red doch keinen Unsinn. Ich lehnte meine Schulter etwas mehr an Kaitos und war froh um jeden Kontakt zwischen uns. Wenn es dich nicht langweilt? Es war nicht sehr aufregend, wir haben uns einfach auseinander gelebt und... scheinbar ist ihm das erst kürzlich aufgefallen. Mir unverständlich, aber gut. Vielleicht war es auch einfach nur eine Ausrede geweden um mich zu verlassen und die Flügel ausbreiten zu können, so wie er mich ignoriert hatte konnte er schon eine Weile nicht mehr richtig an mir interessiert gewesen sein, oder? Ich weiß, was ich dir erzählt hab klang dramatisch und vielleicht so, als wäre es besser wie es jetzt ist, aber ich bin nicht gerne alleine. Ich fühlte mich sehr schnell verlassen, ich wollte gerne gefallen, das wusste ich, ich wusste auch, dass das an meiner Kindheit lag, aber etwas dagegen zu tun wusste ich nicht. Schließlich aber lächekte ich Kaito wieder direkt an und stieß ihn leicht durch unsere aneinander liegenden Schultern an. Das tust du doch schon. Auch wenn ich nicht anders konnte als an das Versprechen zu denken, das er mir zuletzt gegeben hatte, als ich noch in mehr oder minder festen Händen gewesen war.

Anstatt selbst sofort etwas zu erwidern ließ ich Sandy sich aussprechen - zumindest im metaphorischen Sinn. Ausdeuten würde aber auch für mich nicht verständlich klingen. Nahuel hatte sich also doch von ihm getrennt, nachdem ihm der Zustand ihrer Beziehung aufgefallen war. Das brachte mich doch ein wenig dazu zu grübeln. Vielleicht waren sie so in ihrem Rhythmus dass er es einfach nicht bemerkt hat? Ich konnte es mir selbst auch nicht ganz erklären, aber ich betrachtete weiter einfach nur nachdenklich hin die Hände von Sandy.
"Dann sorgen wir dafür, dass du nicht mehr so allein bist."
Ich lächelte sanft und hob meine Hand an, die ich vorsichtig auf seiner Schulter anlegte. Ich ließ sie schließlich über den oberen Teil seines Oberarms hinauf über seine Schulterblätter gleiten - bis ich meinen Arm um seine Schultern gelegt hatte. Die andere Hand legte ich wieder dort in die Nähe seines Oberschenkels wo meine andere Hand zuvor gelegen hatte. Eine Art der seitlichen Umarmung.
"Wie fühlst du dich damit, dass es ihm erst kürzlich aufgefallen ist?"
Eigentlich sind die Gründe dafür für mich vollkommen uninteressant. Viel wichtiger ist es wie es Sandy damit ergeht... Ich musterte ihn aufmerksam.
"Und noch eine Sache: Nichts was du mir erzählst könnte mich je langweilen. Ich interessiere mich für dich, klaro interessieren mich dann auch deine Themen."

Kaitos Arm um meinen Schultern fühlte sich gut an, warm, geborgen, vertraut. Automatisch lehnte ich mich mehr in seine Seite, die sich mir nun darbot. Kaito nahm sich so viel Zeit für mich und war so geduldig mit meinen Sorgen, dass es mir einfach unglaublich vorkam, dabei hatte der andere Vampir doch selbst genug Probleme und schwere Gedanken. Ich denke ich bin... enttäuscht. Ich verstehe nicht wie er das jetzt erst bemerken konnte. Oder vielleicht hat er es bemerkt, aber... es war ihn egal. Die Beziehung und... alles rund herum. Ich zögerte während dem Deuten sehr, es fiel mir schwer negativ über Nahuel zu sprechen, obwohl meine Gedanken über ihn entsprechend waren. Ich lächelte warm über Kaitos Versicherung, dass ohn was ich zu deuten hatte auch wirklich interessierte. Danke. Wirklich, einfach danke.

Es war ein angenehmes Gefühl das Gewicht von Sandy ein wenig auf mir zu spüren. Ich konnte nicht anders als mir einige kurz Sekunden zu überlegen, wie nahe er mir gerade war. Wie einfach es wäre zwei Finger unter sein Kinn zu schieben und ihn zu küssen. Wie sich seine Lippen auf meinen anfühlen würden. Aber das ist jetzt wirklich überhaupt nicht der richtige Zeitpunkt. Sandy war emotional aufgeladen und hatte Einiges zu verarbeiten. Es wäre selbstsüchtig ihn jetzt auch noch mit so etwas zu überfordern. Ich musste ihn in nächster Zeit mehr auf mich zukommen lassen als ich auf ihn. Ansonsten würde ich ihn am Ende noch unabsichtlich ausnützen und das wollte ich gar nicht - er war emotional gerade sicherlich ein wenig verwundbar.
"Es ist vollkommen normal enttäuscht zu sein. Ich nehme an, weil ihr so lange zusammen wart, wurde sich auch schon Gedanken um Zukunft gemacht. Ihr seid immerhin zusammen gezogen. Möchtest du noch Kontakt halten oder habt ihr beschlossen es lieber ganz abzubrechen?"
Zusammen zu ziehen war immerhin ein großer erster Schritt. Besonders wenn man am Ende eine feste Partnerschaft wollte oder gar eine Ehe. Ich war mir nach der Ehe meiner Eltern allerdings nicht so sicher - ob ich so etwas überhaupt wollte. Man sieht wie es geendet hat. Es konnte auch sein dass Sandy und Nahuel sich mehr eine Pause nahmen. Aber so wie er es erzählte hatte ich eher einen anderen Eindruck.
"Kein Danke oder Dankeschön oder wie auch immer notwendig. Ich bin für dich da, jetzt wo ich wieder hier bin."
Ich grinste ein wenig schief.
"Magst du noch mehr darüber sprechen oder einfach etwas Ablenkung?"

Ich dachte wirklich er ist der Richtige. Das klingt kitschig, oder? Aber wir waren zusammen seit ich 17 war. Ich dachte wir würden... Ich unterbrach mich und schüttelte mit gerunzelter Stirn den Kopf, ehe ich kurz die Augen schloss. Aber es ist sicher besser so. Ich würde gerne Kontakt halten, aber ich glaube er will das nicht. Ich hob eine Hand und fuhr mir damit über das Gesicht, ich wollte nicht traurig über diese Trennung sein, es war besser so, wie würden beide so glücklicher sein, aber doch fühlte ich mich nur weiter verlassen und alleine. Es war einfach zu dumm, wenn man sich gar zu schnell so fühlte. Würdest du mich ablenken? Irgendwie? Bitte. Ich hob den Blick wieder und sah Kaito beinahe bettelnd an.