Erst als die Frau dann sprach, hatte ich einen kurzen Moment Zeit sie zu mustern. Ihre Aussagen waren ungewöhnlich präzise, vermutlich hatte ich mit etwas schwammigerem gerechnet, nicht viele Personen wären dazu in der Lage ihren Konsens noch zu bilden und mich zu informieren, es lag in der Natur der Sache, bei einem Unglück emotional und unschlüssig zu werden. Sie war sehr in der Mode gekleidet, elegant und präzise. Ich kam nicht herum als die Dinge in Betracht zu ziehen, die uns unterschieden. Mein Korsett war ein wesentlicher Bestandteil meiner Kleidung, eng geschnürt, aus festen Walrochenknochen und mit Stoff und Spitze überzogen. Darunter eine Bluse aus Seide mit hohem Kragen und langen Ärmeln, die sich ebenfalls bei der weißhaarigen Frau finden ließen. Dazu meine schwarzen Handschuhe und ein ebenfalls schwarzer Mantel. Eine Leinenschürze verdeckte jedoch den ungewöhnlichen Teil meiner Kleidung, die Hose, die in hohen Stiefeln steckte. Ich nickte etwas knapp, als mich Lilith fragte, ob ich eventuell eine Ahnung haben könnte, wer das verursacht hatte. Doch anstatt noch direkter zu antworten, trat ich langsam auf die noch rauchende Lokomotive zu. Denn in meinen Augen leuchtete sie beinahe, weshalb ich auch meine Hand ausstreckte und direkt an das Metall griff, dort wo vermutlich einmal der Zugführer gesessen hatte. Eine Vision blitzte vor meinem inneren Auge, während diese golden aufleuchteten. Sand. Kleine Fragmente auf den Gleisen. Sie sollten die Entgleisung verhindern. Nervosität. Eine unzulässige Bewegung. Ein lauter Schrei.Es war beabsichtigt., stellte ich Lilith gegenüber feste, als ich blinzelte und wieder in die Realität zurückkam. Das schloss den Zugführer aus, auch wenn ich fest davon überzeugt war, dass er es sowieso nicht überlebt hatte oder auch nicht überleben würde. Doch ein Polizist war an uns herangetreten, vermutlich, weil ich ihm zu nahe an die Lok getreten war. "Entschuldigen Sie, was machen Sie hier, Madame?" Ich wandte ihm meinen Blick gar nicht erst zu. Victorine Dumort. Privatdetektiv. Ich war immerhin hier um zu arbeiten und konnte die Ablenkung nicht brauchen. Er begann mit seinen Kollegen aufgeregt zu plaudern, aber ich hörte ihnen gar nicht erst zu.
Mein zweiter Fall, mein erster großer Fall, war jetzt schon bereits einer, den ich wohl nie vergessen würde. Ich war erst vor kurzem zur Privatdetektivin geworden und nachdem ich meinen allerersten Fall bereits gelöst hatte, war ich nun für einen noch größeren Fall angeheuert worden. Die Sabotage in einer Eisenbahngesellschaft. Mit dem plötzlich Aufstieg der Eisenbahn kam natürlich auch der Wettbewerb zwischen den Eisenbahngesellschaften. Eine der Gesellschaften jedoch litt aktuell unter mysteriösen Sabotageakten, die ihre Geschäfte bedrohten. In der blühenden Zeit der Erfindungen und technologischen Fortschritte verschwanden immer wieder plötzlich wertvolle Prototypen und geheime Pläne aus den Ateliers und Labors von Wissenschaftlern und Ingenieuren. Passagiere berichteten von seltsamen Geschehnissen während der Zugfahrten bis hin zu mysteriösen Gestalten, die nachts in den Bahnhöfen herumspukten. Die Polizei konnte scheinbar nicht helfen, denn heute war es endlich passiert, die Eskalation, denn ein Zug war entgleist. Ich parkte mein Auto neben der Straße, auf der ich auch bereits den entgleisten Zug sah, dampfend und rauchend, zerstört und abgekommen auf den Gleisen, zweifelsohne war ein großer Schaden entstanden, wenn überhaupt noch alle lebten. Ich beachtete die herumstehenden Polizisten gar nicht, während ich auf den Unfallort zu humpelte. Lebt der Lokführer noch? Und die Passagiere? Ich sah mich zunächst nach den Passagieren um, doch ich konnte keine sehen, nun, zumindest fast keine, außer eine große Frau mit weißen langen Haaren. MIt mühseligen langsamen Schritten steuerte ich auf sie zu. Ich stellte mich gar nicht erst vor, bevor ich sie schon fragte, Wo sind die anderen?
Ich dachte mir in Zukunft wäre es einfacher, wenn wir hier gemeinsam miteinander kommunizieren. Eine Gruppe erschien mir daher sinnvoll. Es geht doch etwas schneller dank dem Wunder der Technologie.
Ruhig setzte ich mich an einen Arbeitsplatz und begann zuerst einige Anträge auszufüllen für den Wiederaufbau des Clans, nachdem ich ebenfalls ein kurzes Telefonat mit dem Bürgermeister absolviert hatte. Sollte jemand etwas von mir benötigen, würde er sich schon melden, also beschloss ich erst einmal einfach ein paar neue Fallakten durchzugehen, von Kunden, die mir ihre persönlichen Fälle andrehen wollten. Nur, weil ich hier jetzt als Anführer tätig war, hatte ich nicht vor meine Karriere schleifen zu lassen. Ich fragte mich, wie es Valentina wohl gerade erging, ihr Clan schien aktuell der größte zu sein, und dann Tybalt, dessen Clan wohl auch einiges an Strukturveränderungen durchgemacht hatte.
Etwas verwirrt musterte ich Masch noch einmal, bevor ich ihm dann einfach schüchtern zunickte, denn ich wusste nicht so recht, wie ich damit umgehen sollte, er war wohl definitiv eine der Personen, die noch nie jemandem wie mir begegnet waren. Aber das war nicht schlimm, die meisten konnten sich nicht darauf einstellen. 잘 자요., sagte ich schließlich nach einem kurzen Zögern, bevor ich mich langsam aus dem Zimmer aufmachte und dann die Türe leicht hinter mir anlehnte, er konnte sie selber schließen oder auch verschließen, wenn er wollte. Ich selber suchte mir ebenfalls noch ein Zimmer, nachdem meines besetzt war, und legte mich dann schlafen.
Danbi streckte sich weiterhin gemütlich aus, allerdings am Rand des Bettes, das zu der Wand lag, als ob sie Masch beinahe schon einladen wollte sich hinzulegen. Ich wusste, dass sie hierbleiben würde in der Nacht und ich befand es für eine gute Idee, nicht dass ich sie versucht hätte davon abzuhalten. Tiere hatten ihre eigenen Meinungen und Gedanken, die ich genauso respektierte. Sie waren oft auch logischer als die der Menschen oder Vampire um mich herum. Sonst hätte ich es nicht gesagt., antwortete ich auf die Frage von Masch mit leicht zusammengezogenen Augenbrauen, auch wenn sich eine leichte Röte auf meinen Wangen widerspiegelte, die man dank ihrer Blässe sofort bemerkte, da ich nicht wirklich wusste, wie ich mit dem Kompliment, zumindest nahm ich es als solches auf, umgehen sollte oder was ich dazu sagen sollte.
Danbi machte es sich schon einmal am Bett gemütlich. Immerhin hatte ich nichts missverständlich formuliert, das ließ mich schon einmal nicken, allerdings verwirrten mich seine Worte dann noch ein Stückchen mehr. Ich war nicht gerade die Person, die Bedeutung hinter Worten suchte, wenn ich mich nicht darin befand etwas genau zu analysieren und selbst dann ließ ich Aussagen von Personen lieber außer Acht, die Beweislage war für mich einfach zu interpretieren, als menschliches Verhalten. Seine Worte erinnerten mich allerdings an etwas und ich sah nachdenklich an meinem Gehstock hinunter. Ich wurde die meiste Zeit meines Lebens als Last betrachtet. Früher noch ein wenig mehr als jetzt. Ich musterte Masch, wobei ich nie direkt in sein Gesicht sah. Nichts davon bedeutet jedoch, dass ich keinen Wert habe oder keinen Respekt verdiene. Genau wie du.
Ein Stück trat ich auch zur Seite, damit Masch einfacher hindurchkommen konnte, bevor ich dann hinter ihm eintrat und nickte. Ich fand das Zimmer war auch sehr adäquat, es war sehr ruhig, es beruhigte mein Gehirn immer in geschlossenen Räumen zu sein, weshalb ich die Tür auch hinter uns schloss. Danbi strich schnurrend um die Beine von Masch, den ich allerdings mit einem etwas verwirrten Blick ansah, als ich meinen Kopf auf seine Frage hin leicht schieflegte. Ja., wiederholte ich mich schließlich und fragte etwas verwirrt, Habe ich etwas missverständlich formuliert? Zumindest konnte ich mir keinen anderen Grund vorstellen, warum er erneut fragte.
Kurz sah ich über die Schulter zu Danbi, die brav hinter Masch herfolgte, als ob sie auch genau überprüfen wollte, dass er auch gut nachkam, wobei das zumindest von meinem Tempo her wohl für keinen ein Problem war. Sie hat guten Geschmack., sagte ich schließlich als logische Erklärung, während wir eine weitere Plattform der Villa betraten, etwas weiter oben, wo es noch mehr als genug freie Zimmer gab. Ich blieb vor einer der hölzernen Türen stehen und öffnete sie dann mit meiner freien Hand, um sie für Masch aufzuhalten. Dahinter befand sich ein noch sehr schlicht eingerichtetes Zimmer mit angehängtem Bad, beinahe vollkommen aus verschiedenen Holztönen, etwas altertümlich, aber definitiv mit den modernen Möglichkeiten renoviert.
Wir haben mehr als genug freie Zimmer., erklärte ich relativ unbedarft, während ich die Tür zu meinem Büro für Masch offenhielt und dann auch für Danbi, auch wenn sie ohne Probleme auch einen anderen Weg gefunden hätte, sie konnte immerhin auch Türen öffnen, sie war ein schlaues Tier. Dann setzte ich mich erneut langsam in Bewegung, durch die verschiedenen Räumlichkeiten der Villa, eine Treppe nach oben, denn es gab kaum Zimmer unten. Danbi freut sich sicher auch.
In Ordnung war wohl ein interessantes Konzept in diesem Fall, immerhin war ich die Anführerin, soweit ich das also sah, war ich auch diejenige, die bestimmte, ob denn nun etwas in Ordnung war oder nicht. Allerdings konnte es wohl auch bedeuten, dass es für seinen Clan nicht in Ordnung war. Welche Regeln Valentina aufstellte, wusste ich nicht, aber ich beschloss mich nicht groß damit zu befassen. Du bist hier immer willkommen., sagte ich schließlich also, während Danbi fröhlich zirpend Masch hinterher folgte.
In meinem Zimmer schlafen bereits Sandy und Kaito. Wir finden ein anderes Zimmer für dich., beschloss ich kurzerhand und nickte dann, während ich noch meinen Tee zu Ende trank und dann aufstand. Ich stützte mich fest auf meinen Gehstock und nickte Masch dann zu. Komm mit. In der Villa gab es immerhin noch mehr als genug freie Zimmer, weder Samuel noch Mercutio hatten ein Zimmer bezogen, einzig und allein mein Zimmer ganz oben war theoretisch von mir, heute von meinem besten Freund und seinem Freund, besetzt.
Ruhig nickte ich, während ich meinen Tee zu Ende trank und einfach dabei in Schweigen Danbi beobachtete, die sich bestens mit Masch beschäftigte, indem sie sich fest an ihn kuschelte. Ich stand schließlich erst auf, als ich bemerkte, dass es draußen langsam auch dunkel wurde. Ich sah durch das Fenster, die meisten unserer Gäste dürften wohl schon gegangen sein. Schließlich drehte ich mich zu Masch um. Schläfst du hier heute?
Danbi gab ein süßes, zufriedenes Seufzen von sich, als Masch sie hochhob und begann ihn dann sofort interessiert zu beschnüffeln, zuerst noch seine Hände, mit der er sie hochgehoben hatte, dann seine Arme und schließlich streckte sie sich auf ihren kleinen Hinterpfötchen nach oben, um sein Gesicht zu riechen. Ich beobachtete das alles, ohne etwas dabei zu sagen, während Danbi förmlich eine Spur verfolgte. Hast du ein Haustier?, fragte ich schließlich, da Danbi gar so neugierig an Masch schnupperte und sie hatte schließlich eine sehr feine Nase, die das sofort aufnehmen könnte. Das, oder andere etwaige Spuren, Tiere hatten da immer etwas ihre eigene instinktive Agenda.
Masch stellte sinnvolle und vor allem beantwortbare Fragen, weshalb ich beschloss, dass ich ihn auch außerhalb von seiner Verbindung zu Sandy und seiner unanspruchsvollen Art zu mögen. Ich mochte es, wenn ich den Sinn hinter Fragen verstand, denn nur so konnte ich sie beantworten, wie anderen Personen das machten, war mir schon immer ein Rätsel gewesen. Nein., antwortete ich also ziemlich direkt auf seine Frage, bevor ich ebenfalls leicht zusammenzuckte, als Masch Danbi etwas überlaut begrüßte. Ich schüttelte dann allerdings den Kopf, denn ich brauchte keine Entschuldigung. Danbi hingegen ließ sich auch gar nicht erst davon abhalten, sondern stapfte mit ihren kleinen Beinchen auf Masch zu und machte dann ein extrem süßes Männchen, um seine leicht vom Tee benetzen Finger abzuschlecken.
Langsam nippte ich an meinem Tee, während ich kurz nachdenklich meinen Schreibtisch ansah. Dann stellte ich meine Tasse mit beiden Händen vorsichtig auf der Tischplatte ab und zog eine der vielen Schubladen auf, um dort eine Moxazigarre herauszunehmen und diese vor Masch auf den Tisch zu legen, damit er sie sich anschauen konnte. Man verbrennt das hier langsam wie eine Zigarette. Dann hält man sie knapp über die betroffenen Körperstellen. Zumindest war das meine bevorzugte Variante, es gab natürlich auch die direkte Anwendung auf der Haut. Kälte und Feuchte kann dem Körper schaden und wird somit vertrieben. Ich nahm wieder meinen Tee in beide Hände und nippte an der wohltuenden warmen Flüssigkeit. Plötzlich hörte ich ein leises Miauen und wandte meinen Blick zur Tür, wo sich Danbi gerade durchgeschlängelt hatte.
Deine Lebensenergie., erklärte ich weiter, offen mein Wissen zu teilen, Qi ist ständig in Bewegung ,es fliesst durch die Leitbahnen, die Meridiane, die über unseren Körper laufen und ein ganzes System an Kanälen bilden. Qi ist von enormer Bedeutung. Eine Schwächung, eine Blockade oder auch ein Überschuss an Qi kann ein Organ, oder auch ein ganzes Organsystem, krank machen. Ich war mit beidem aufgewachsen, mit beiden Seiten derselben Münze, weshalb mir keine von beiden vertrauter war, ich wandte beide Arten von Medizin genau gleich an, je nachdem was ich eben gerade benötigte. Ich nippte von meinem Tee, ungewohnt so viel zu sprechen auf einmal. Die westliche Medizin hat ähnliche Konzepte, allerdings glaubt sie nicht an Qi. Meiner Meinung nach sollte man immer die Behandlung wählen, die für einen selber effektiv war, ich hatte nämlich durchaus schon viele Fälle gesehen, in denen die wissenschaftliche Medizin versagt, aber die traditionelle Medizin gewirkt hatte, ich urteilte nicht darüber, ich ging nur immer alle Möglichkeiten durch.
Es ist ähnlich wie Akupunktur, aber ohne Nadelstiche., begann ich sofort zu erklären, denn ich mochte es über solche Themen zu sprechen, generell war es so mit Themen in denen ich mich gut auskannte und wenn die Atmosphäre mir passend vorkam, Ich verwende das Verfahren um die wichtigen Punkte mit meist passiver Hitze durch das Abbrennen von Moxakraut zu erwärmen, um so Kälte und Feuchtigkeit zu vertreiben und das Qi wieder zum fließen zu bringen. Damit sich der Körper wieder selber heilen kann. Es tat nicht weh, die Hitze war nicht brennend, sondern eben passiv, man hielt die Moxazigarren aus den heilenden Kräutern nur mehr an die Stellen heran, ohne die Haut dabei direkt zu berühren. Ich konnte auch direkte Moxibustion anwenden, bei der man die Kräuter auf der Haut abbrannte, aber niemals bei jemandem wie Masch, er wirkte dazu zu zart. Langsam nippte ich von meinem Tee, er war noch sehr warm, aber er verbrannte meine Zunge nicht, was gut genug für mich war, ich trank meinen Tee sehr gerne sehr heiß.
Leise summend nickte ich in mich hinein, bevor ich kurz in mich hineinkicherte, ich tat mir immer besonders leicht dann zu lachen, wenn gerade niemand anderer lachte und wenn es vielleicht auch für andere Personen etwas unpassend wirken konnte, wie ich erfahren hatte. Ich hatte auch dreihundertfünfundsechzig Jahre Zeit. Wobei ich das meiste in meinen jungen Jahren von meinen Eltern gelernt hatte. Ich brachte nun das Tablett mit den Jadetassen zu Masch und nahm dann meine Tasse von diesem, um mich in meinem Schreibtischsessel niederzulassen, die sehr warme Tasse Tee in meinen Händen. Ich betrachtete Masch kurz nachdenklich, ohne ihm dabei in die Augen zu schauen. Ich glaube du könntest eine Moxen gebrauchen. Moxibustion, auch Moxa-Therapie oder kurz Moxen genannt, wie ich es gerade auch bezeichnete, beschrieb den Vorgang der Erwärmung von speziellen Punkten des Körpers. Die Therapie wurde in der Traditionellen Chinesischen Medizin entwickelt, allerdings in der traditionellen koreanischen Medizin noch einmal deutlich erweitert. Masch wirkte dünn auf mich, das war ich allerdings auch, aber er wirkte auch deutlich mitgenommen, etwas bei dem die Moxa-Therapie gerne eingesetzt wurde, genau wie beim "Schmerz der Seele", wie man ihn gerne plakativ nannte.