Oh ganz sicher, sich zusammenreißen kann jeder. Ich hatte mir nie die Frage stellen müssen ob einer und wenn welcher Clan für mich ideal wäre und ich war darum ehrlich gesagt recht froh. Ich war zufrieden da wo ich war, an der Seite meiner Mutter und nun auch wieder zusammen mit meinem Bruder. Was wollte ich mehr? Wenn man keine Lust auf etwas hat, such nur gerade in dem Moment, dann kann einem alles auf die Nerven gehen. Ich grinste Radley entspannt an. Glaub bloß nicht ich würde meinem Clan gegenüber unkritisch sein, ich habe einiges was ich ändern will, aber man muss mit gewisser Vorsicht an sowas heran gehen. Manche Traditionen und Ansichten existieren schon zu lange als dass man sie innerhalb eines Tages ändern könnte.

Konnte das wirklich jeder, sich zusammenreißen? Nicht auf Dauer, meiner Meinung nach zumindest. Doch das lenkte wohl gerade zu sehr vom eigentlichen Thema des Gesprächs ab. Erneut schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen, als Ayumi darüber redete, dass es ein paar Dinge gab, die auch sie an ihrem Clan ändern wollte. Das Thema interessierte mich weitaus mehr. Allerdings wollte ich nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen. Sonst würde unser Gespräch schneller enden, als mir lieb war.
„Da hast du vollkommen Recht. Manche Dinge brauchen eher Zeit. Wir wollen ja nicht, dass die anderen Mitglieder in deinem Clan irgendwann anfangen, gegen dich zu rebellieren. “, meinte ich, und zwinkerte ihr zu. „Ich bewundere deinen Willen zur Veränderung.“
Es war immer angenehmer, mit Menschen beziehungsweise Vampiren zu tun haben, die nicht eher in eine konservative Richtung gingen. Ich selbst liebte Veränderungen, vielleicht sogar etwas zu sehr. Anstatt sie nach genaueren Informationen über die Dinge zu fragen, welche die Vampirin an ihrem Clan gerne anders hätte, stellte ich eine andere Frage, die ich mir schon zu Anfang des Gesprächs gestellt hatte, aber noch nicht laut ausgesprochen.
„Wie alt bist du eigentlich?“

Das wäre furchtbar, aber ich glaube nicht, dass das passiert. Meine Mutter ist ja offiziell die jenige die die Entscheidungen trifft, ich habe vor erstmal schön im Hintergrund zu bleiben und von da aus Sachen zu verändern. Natürlich alles in Absprache mit meiner Mutter, denn sie musste die Sachen ja bewilligen und durchsetzen, aber das musste ich Radley ja nicht sagen. Auf seine folgende Frage hin begann ich breit zu grinsen und sah ihn herausfordernd an. Das sage ich dir nur, wenn du mir zuerst sagst wie alt du bist. Eine Dame fragt man schließlich eigentlich nicht nach ihrem Alter.

“Eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten ist eine tierisch schlechte Eigenschaft, weisst du? Ich dachte diese Regel, dass man Damen nicht nach ihrem Alter fragt, zählt in der modernen Gesellschaft längst nicht mehr.“, jammerte ich, und lachte dann. Nicht, dass ich Probleme damit hatte, die Frage nach meinem Alter zu beantworten. Vampire waren schließlich ewig jung und in manchen Fällen sogar ewig schön. Das machte es auch so schwierig, zu erkennen, wie alt mein Gegenüber wirklich war. Und um ehrlich zu sein, fand ich, es machte schon ein wenig einen Unterschied, ob jemand schon Jahrzehnte an Lebenserfahrung hatte, oder ob er oder sie wirklich noch so alt war, wie die Person erschien. Meistens zumindest.
„24 oder 125, eins davon passt immer.“

Na dann sind wir wohl beide unhöflich. Ich grinste Radley frech an und lachte dann leicht auf. Ich war zwar gegen diese alten, dummen Normen, aber es machte doch manchmal Spaß sie auszupacken und bei Radley auch irgendwie passend, denn er war schon mehr als hundert Jahre alt und hatte damit auch während der Hochzeit von solchen Aussagen gelebt. Da bist du gegen mich ja schon wirklich alt, ich bin erst 21.