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| Zuletzt Online: 24.01.2023
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„Man weiß ja nie. “, wiederholte ich ihre eigenen Worte in Bezug auf mögliche Stalker, zuckte kurz mit den Schultern und grinste leicht. „Naja, hoffen wir, dass es so bleibt, aber wenn nicht, tu dir keinen Zwang an, mir Bescheid zu geben.“ Das meinte ich auch ehrlich. Wenn Meguru Probleme hätte, könnte ich wenigstens versuchen, sie zu lösen, falls ich in dem Moment gerade Lust darauf haben sollte. Während wir das Restaurant verließen, ließ ich unser Essen nochmal gedanklich Revue passieren. Es war wirklich interessant gewesen, und das ich nichts dafür bezahlt war nochmal ein Bonus. Als wir draußen waren, lächelte ich Meguru noch einmal kurz zu und löste mich dann von ihr. Keine Ahnung, wo sie wohnte, aber ich wollte sie ja nicht nachhause begleiten, und da ich noch kein richtiges Zuhause hatte, würde ich einfach in die andere Richtung gehen, damit es nicht peinlich für uns beide wurde. „Dann trennen sich unsere Wege jetzt...fürs erste.“, sagte ich zum Abschied zu ihr. Ich musste den Impuls unterdrücken, ihr kurz über die Haare zu streicheln, aber Meguru war kein Kind mehr und wir kannten uns kaum.
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Meguru war schon ein gutes Stück kleiner als ich, das fiel mir noch einmal richtig auf, als ich sie umarmte. Deswegen wirkte sie auf mich wohl so...jugendlich, auch wenn sie angeblich schon 30 war. „Wenn du weiter so redest, beschwörst du fast ein Unglück herauf. So gefährlich lebe ich auch nicht, mach dir da keine Gedanken.“, meinte ich lachend, weil sie es so betonte, als gäbe es tatsächlich eine erhöhte Chance, dass ich bei unserem nächsten Treffen nicht mehr im besten Zustand sein würde. „Und pass du gut auf dich auf, was Stalker und so etwas angeht. Und falls du mal irgendwelche Probleme mit so etwas haben solltest, sag mir Bescheid. Ich werd versuchen, mich darum zu kümmern.“ Ich ließ sie wieder los, und deutete mit der Hand Richtung Ausgang. „Wollen wir dann? Ich fühle mich irgendwie seltsam, dich hier zurückzulassen, wenn ich selbst jetzt gehe. Das sehe doch komisch aus, und bezahlt hast du auch schon.“, meinte ich zu ihr. „Draußen können wir ja immer noch getrennte Wege gehen."
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Es gab wirklich keinen Grund, sich um sich Sorgen zu machen. Schließlich war ich schon ein paar Jahre länger auf der Welt als meine Begleiterin, und außerdem quasi unsterblich. Die Chance, dass mir etwas passierte, schätzte ich trotz meines Lebensstils als ziemlich gering ein. Trotzdem freute ich mich ein wenig, in dieser Stadt zumindest eine Person zu haben, die sich in dem Fall um mich sorgen würde. „Kann schon sein.“, antwortete ich auf Megurus Kommentar, dass die Bedienung doch süß war. Ich schenkte der Kellnerin ein Lächeln, als sie zu uns herüberkam. Unwillkürlich fragte ich mich, ob Meguru auch so etwas wie Groupies hatte. Wenn sie schon so berühmt war, dass sie dauernd auf der Straße angesprochen wurde, dann garantiert. Obwohl ich andererseits nicht glaubte, dass sie jemals zu so einem Angebot ja sagen würde. So schätzte ich Meguru nicht ein. Aus Gründen der Höflichkeit teilte ich diesen Gedanken nicht mit den Beiden. Anscheinend reichte es nicht, dass Meguru bezahlte, denn die Bedienung begann, ewig rumzudrucksen. Ein gemeinsames Foto hatte sie schon, was konnte sie anderes wollen ausser ein Autogramm, einen Kuss vielleicht? Fast war ich versucht, selbst einen Stift zur Hand zu nehmen und die ganze Angelegenheit für Meguru zu erledigen, weil es so lange dauerte, bis die Kleine endlich mit der Sprache herausrückte. „Dann wünsche ich dir einen angenehmen Heimweg. Ohne Hunde.“, erwiderte ich. Natürlich hätte ich ihr anbieten können, sie zu begleiten. Doch da sie diese Möglichkeit nicht von sich aus ansprach, war ich mir unsicher, ob das nicht ein aufdringlich war, wo wir uns so kurz kannten. Und wenn sie ein wenig müde war, brauchte sie die Zeit vielleicht für sich. Um ein wenig nachzudenken. Kurz zögerte ich, dann stand ich von meinem Platz auf, trat ein paar Schritte auf Meguru zu, beugte mich zu ihr herunter und umarmte sie. „Und wir sehen uns bestimmt bald wieder. Es war echt nett mit dir.“
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„Süß? Ich fühle mich geschmeichelt. Glaub mir, ich kann noch viel süßer sein.“, erwiderte ich, und zwinkerte ihr zu. Irgendwann würde ich ihr bestimmt mal zeigen, dass ich mich in einen Kater verwandeln konnte. Ich hoffte, Meguru mochte Katzen mehr als Hunde. Sonst würde ich ihr noch Angst machen. Gerne hätte ich noch mehr Zeit mit ihr verbracht. Nachdem ich mein Glas geleert hatte, beobachtete ich Meguru ein wenig. Inzwischen schien sich ihre Stimmung deutlich gebessert zu haben. „Wenn mein Handy mal ein paar Tage aus ist, hab ich nur noch keine Gelegenheit gefunden, es irgendwo aufzuladen. Mach dir dann keine Sorgen. Ich vergess dich schon nicht.“ Gab man in Frankreich Trinkgeld? Ich war mir nicht ganz sicher. Da Meguru bezahlte, war das allerdings eh ihre Aufgabe. Ich beschränkte mich darauf, die letzten Bissen meines Desserts zu verspeisen. „Gleich musst du dich auch von deiner Verehrerin verabschieden.“, flüsterte ich ihr mit gesenkter Stimme zu, damit die Bedienung mich nicht hörte. „Wenn du heute noch einen Film schauen willst, kann ich dich gleich zurück zum Kino bringen.“
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„Dann schreib mir einfach. Oder ruf mich irgendwann an, ich hab eigentlich fast immer Zeit.“, antwortete ich lächelnd, als ich ihr Handy nahm, um meine Nummer einzuspeichern. Zwar wirkte ihre Fröhlichkeit nicht gespielt, doch trotzdem hieß das nicht, dass sie das auch wirklich tun würde. Schließlich war Meguru quasi berühmt, und ich war mir noch nicht ganz sicher, ob sie die Zeit finden würde, mit Jemanden wie mir zu schreiben. Möglicherweise war sie nur höflich, weil ich sie 'gerettet' hatte. Naja, das würde die Zeit zeigen. Ich speicherte meine Nummer in ihrem Handy ein. Allerdings ließ ich es mir nicht nehmen, kurz ein Foto damit von mir zu machen, ohne Meguru vorher zu fragen. Dann schob ich ihr das Handy wieder hin. „Hier. Guck mal, das kannst du bei mir als Kontaktbild speichern.“, meinte ich. „Damit du mein Gesicht nicht vergisst.“
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„Oh...das klingt hart. Es ist gut, dass ihr trotzdem noch befreundet sein könnt.“ Beziehungen, die in Feindschaften endeten, waren das Anstrengendste, was es auf dieser Welt gab. Danach wusste ich nicht ganz, was ich noch zu diesem Gesprächsthema beitragen konnte. Wahrscheinlich wäre es Meguru unangenehm, wenn ich sie darauf ansprach, dass sie auch auf Frauen stand, und das wollte ich nicht. Natürlich hätte ich ihr trotzdem sagen können, dass Beziehungen, die in so jugendlichen Alter begannen eigentlich nie hielten, genauso wie die meisten romantischen Beziehungen, wenn man ehrlich war. Doch ich bezweifelte, dass sie das sonderlich aufheitern würde. Deswegen war ich erleichtert, als die Bedienung schließlich unseren Nachtisch brachte. „Ah! Das sieht wirklich gut aus.“, sagte ich, und nahm mir einen Löffel. „Das heißt wohl, unser gemeinsames Essen ist gleich beendet. Möchtest du vielleicht meine Nummer haben? Dann kannst du mir schreiben, wenn du willst.“ Ein Handy hatte ich, auch wenn ich keinen Instagramaccount oder ähnliches besaß.
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Sofort, nachdem Meguru es mir erlaubte und als die Bedienung unsere Teller abräumte, setzte ich meinen Plan um, und bestellte eine weitere Cola. Ich merkte, dass meine Gesprächspartnerin bei diesem Thema etwas weniger gesprächig wurde, so, als ob sie diese Geschichte immer noch ein wenig mitnehmen würde. „Zusammen sein im Sinne von ein Paar sein? Und ihr konnte nicht mehr zusammen sein, nicht, weil er nicht mehr mit dir zusammen sein wollte oder weil du weggezogen bist, sondern wegen etwas anderem, hab ich Recht?“, fragte ich neugierig, obwohl es mir nicht zustand. Schließlich kannte ich Meguru eigentlich kaum. Aber meine Neugier besiegte meine Höflichkeit. Wenn sie es nicht sagen wollte, dann konnte sie mir das ja immer noch mitteilen. „Lass mich raten, eure Familien wollten nicht, dass ihr zusammen seid. Oder wegen der Karriere?“
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„Definitiv. Aber ich kann schon lesen und schreiben und so, falls du dir was das betrifft Sorgen machst. Nur damals, als Kind, wollte ich lieber ein wenig mehr von der Welt sehen, als mich mit sowas abzumühen.“ Ich legte mein Besteck zur Seite, weil ich mit der Hauptspeise fertig war, und wischte mir mit einer Serviette den Mund ab. „Und diese Person ist immer noch in Japan? Oder hat sie dich nach Frankreich begleitet?“, fragte ich. Dieser Kaoru konnte es schlecht sein, obwohl er offensichtlich ebenfalls aus Japan kam, oder doch? Ich überlegte, ob ich noch etwas zu trinken bestellen sollte, da mein Glas fast leer war. „Hast du etwas dagegen, wenn ich mir noch eine Cola bestelle?“ Ich beschloss, das andere Thema lieber auf sich beruhen zu lassen. Wenn Meguru ein paar von den Dingen gewusst hätte, die ich in meinem Leben schon getan hätte, könnte ich mir keine so positive Reaktion mehr vorstellen. Nichts, was mit Rassismus oder Homophobie oder ähnlichem zu tun hatte, doch ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass ich noch niemanden absichtlich verletzt hatte. Doch das musste sie ja nicht wissen. „Eines Tages will ich vielleicht mal nach Japan...aber die Flüge sind so unglaublich teuer.“
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„Eh, es ging. Es gab schon manche, die gegangen sind. Ich nicht, und die meisten meiner Geschwister auch nicht. Ich weiss nicht mal, ob es eigentlich Pflicht war. Ich glaube, so etwas wurde erst 20 Jahre nachdem ich in dem Alter war großflächig in Amerika eingeführt. Aber...nur weil es Pflicht ist, muss man es ja trotzdem nicht unbedingt machen.“, fand ich. „Ich kenne das japanische Schulsystem nur aus Filmen, und zwischen Film und Realität besteht ja immer noch ein großer Unterschied. Es freut mich, wenn du größtenteils schöne Erinnerungen an deine Schulzeit hast.“, gab ich zu und lächelte. Meguru aß so vornehm, dass ich mich fast ein wenig schlecht fühlte, so wie ich das Essen herunterschlang. Ich verlangsamte meine Essgeschwindigkeit, denn während sie gerade erst angefangen hatte, war ich schon halb fertig. „Oh...vielleicht auch nicht ganz in dem Mindset. Es gab auf jeden Fall schlimmere. Aber eben mit Sicherheit auch Bessere.“, meinte ich.
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„Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich je regelmäßig zu Schule gegangen bin. In die Sonntagsschule vielleicht ein paar Mal?“, gab ich zurück. An diese Details meiner Kindheit und Jugend konnte ich mich kaum richtig entsinnen. Dagegen lagen Megurus Schulzeiten, wenn man es verglich, in weit weniger entfernter Vergangenheit. „Bist du in Japan zu Schule gegangen?“, fragte ich sie. „Ich hab gehört, da soll es unglaublich streng zugehen. Oder in Frankreich?“ Endlich wurde unser Essen gebracht, welches ich während meines Gesprächs zugegebenermaßen fast vergessen hatte. Ich nahm mein Besteck und fing schonmal an, nebenher zu essen, während ich Meguru weiterhin zuhörte. Bei ihrer nächsten Frage verzog ich leicht das Gesicht. Wer redete schon gerne über die Sachen, bei denen er früher Mal intolerant gewesen war? Egal, ob man sich geändert hatte hatte, oder nicht, ein schönes Thema war es nicht gerade. „Ähm...ich hatte ein etwas seltsames Frauenbild, und war etwas...naja, wie soll ich sagen. Was für die damalige Zeit halt üblich war. Komische Ansichten über andere Bevölkerungsgruppen, oder Menschen aus anderen Ländern, die am Anfang etwas schwer zu reflektieren waren.“
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„Mindestens!“, meinte ich, und musste lachen. Bei ihrer Frage verstummte ich allerdings. Darüber musste ich erstmal kurz nachdenken. Ich stützte meinen Kopf in die Hände, und ließ mir mit meiner Antwort etwas Zeit. „Hm. Gute Frage. Natürlich denke ich manchmal mit Nostalgie an bestimmte Sachen zurück, die so heute nicht mehr möglich sind. Aber ich glaube, ein Großteil davon ist auch einfach nur das: Nostalgie. Damals gab es viele harten Zeiten und Ungerechtigkeiten, ich verdränge sie nur, wenn ich daran zurück denke. Ist schon besser, wie es jetzt ist.“, erwiderte ich auf ihre Frage, ob mich diese Veränderungen störten. Ich war nicht so jemand, der sich ewig an Traditionen festklammerte. Schon damals, als ich tatsächlich 24 gewesen war, war ich nicht besonders konservativ gewesen. „Das heißt natürlich nicht, dass mir bestimmte...Konzepte nicht etwas schwer verständlich waren, am Anfang. Ich will nicht so tun, als ob ich nicht manches eine Zeit lang seltsam gefunden hätte. Doch man gewöhnt sich dran.“
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„125 klingt einfach so unfassbar alt, findest du nicht? Du kannst dir vorstellen, wie viele Paar Schuhe ich in dieser Zeit hätte kaufen müssen, wenn ich sie jedes Jahr erneuert hätte.“, scherzte ich. Ich nahm noch einen Schluck von meinem Getränk und stellte das halbleere Glas wieder auf den Tisch. „24 ist besser.“ Es gab viele Vampire in dieser Stadt. Meguru hatte bestimmt schon welche kennengelernt, ob wissentlich oder unwissentlich. Deswegen fand ich ihre Reaktion auf diese Enthüllung auch so amüsant. Ich lächelte, und zeigte ihr dabei leicht meine Zähne. Die waren zwar ein wenig ungerade, aber man konnte trotzdem deutlich sehen, dass die Fangzähne nicht ganz menschlich waren. „Damit du mir auch wirklich glaubst. Und ich habe schon unglaublich viel gesehen. Aber es gibt immer wieder etwas neues, alles verändert sich ständig.“, fügte ich hinzu. „Mir wird auf jeden Fall nicht langweilig werden."
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„Ich hätte jetzt eher 22 oder so gesagt. Du siehst um einiges jünger aus. Überhaupt keine Falten.“, musste ich zugeben und lachte. Meguru hatte ein sehr jugendliches Aussehen, welches durch ihren Kleidungsstil noch verstärkt wurde. Ich wette, sie bekam solche Reaktionen auf ihr Alter sehr oft. „Uh....125 vielleicht? Das genaue Alter müsste ich nachsehen, fürchte ich. Irgendwann kommt man damit dauernd durcheinander. Ich denke, ein paar Jahre plus oder minus machen dann auch nichts mehr aus.“, antwortete ich. Ob Meguru vorher geahnt hatte, dass ich ein Vampir war, wusste ich nicht. Manche Menschen hatten mir im Laufe meines Lebens schon gesagt, dass ich danach aussah. Doch ich war mir sicher, dass das nur an meiner blassen Hautfarbe lag. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass solche Kommentare deutlich abgenommen hatten, seitdem Vampire in Büchern und Filmen zunehmend als immer unglaublich schöne und verführerische Kreaturen dargestellt wurden. Aber naja. „Ich war 24, als ich verwandelt wurde, also sagen wir....24?“
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„Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Glück der Welt bei diesem Vorhaben. Kaoru also...er sieht auf jeden Fall wie jemand aus, der sehr selbstsicher ist.“, erwiderte ich. Ob ich den Typen jemals in meinem Leben zu Gesicht bekommen und dann mit dem Namen etwas anfangen konnte, war fragwürdig. Ich glaubte kaum, dass sie mich auf ihren Dates dabei haben wollte. Und er sah nicht so aus wie jemand, der sich ohne einen vernünftigen Grund mit so jemanden wie mir abgeben würde. Bei Meguru hatte mich dieser Umstand ebenfalls etwas überrascht, wenn ich ehrlich war. „Ist er in deinem Alter, oder älter?“ Auf dem Foto konnte ich das schlecht einschätzen. „Wie alt bist du überhaupt, wenn ich das fragen darf?“ Manche Menschen, besonders Frauen, reagierten da ein wenig empfindlich. Als unsere Getränke gebracht wurden, lächelte ich der Bedienung kurz zu, und nahm dann einen Schluck von meinem Orangensaft.
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„Sind solche Liebesdinge je einfach?“, erwiderte ich und lächelte. Ein Grund, warum ich das Ganze in meinem Privatleben eher mied. Es machte für mich persönlich mehr Arbeit als es wert war, man machte sich von Jemanden abhängig, doch diese negative Sicht kam selten gut an, und ich wusste, dass die meisten Menschen und Vampire sie nicht teilten. Deswegen beschloss ich, auch mit Meguru nicht darüber zu reden. „Ich bin sicher, mit der Zeit wird sich das alles finden. Es fühlt sich gerade nur schwierig an, weil du momentan verliebt bist. Da macht man sich mehr Sorgen. Ein Außenstehender würde deine Aussichten bestimmt positiver beurteilen.“ Als sie mir ihr Handy hinhielt, betrachtete ich kurz das Foto ihres Angebeteten. „Der sieht wirklich ein bisschen strikt aus.“, meinte ich. „Aber er hat sehr schöne Haare. Hübsche Farbe.“
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An ihrer Reaktion merkte ich sofort, dass Meguru der Bedienung die Wahrheit gesagt hatte, noch bevor sie den Mund aufmachte. Plötzlich wirkte sie fast ein wenig schüchtern. Irgendwie niedlich. „Aber du willst es ihm bald sagen? Und du befürchtest, er könnte dir einen Korb geben.“, fragte ich nach, als sie meinte, dass er noch nichts davon wusste. Ein Date klang für mich nicht gerade nach viel, doch da ich Meguru noch nicht lange kannte, hatte ich im Umkehrschluss gar keine Ahnung, wie viel Zeit die beiden sonst miteinander verbracht hatten, und ob sie sich schon länger kannten. Mit japanischen Traditionen kannte ich mich nicht gerade gut aus. Damit hatte ich mich noch nie beschäftigt. Ich wusste nur, dass die japanische Kultur was manche Sachen betraf sehr streng war. Das war schon alles. „Du musst ja nichts übereilen. Ich weiß, dass das möglicherweise schwierig ist, wenn man sich gerade verliebt hat...aber du wirst schon noch rausfinden, ob er diese Gefühle hat, oder nicht. Zeig mal ein Foto.“
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Ich hatte keinen Schimmer, warum die Beiden dieses Wort von mir nochmal wiederholten. Hatte ich etwas falsches gesagt? Mein französisch war nicht gerade besonders gut. Doch auch, wenn ich noch einmal genauer darüber nachdachte, fiel mir nichts seltsames an dem Satz auf. Von einem Freund oder Schwarm hatte Meguru mir noch nichts erzählt, und ich fragte mich, ob es der Wahrheit entsprach, oder ob sie nur gewusst hatte, dass die Bedienung diese neue Enthüllung unglaublich aufregend finden würde. Eigentlich konnte es mir auch relativ egal sein. Wenn es diesen Typen gab, hatte er anscheinend nichts dagegen, dass seine Freundin mit fremden Männern essen ging. Und obwohl Meguru schon hübsch war, war sie nicht mein Fall. Dafür war sie mindestens zehn oder zwanzig Jahre zu jung. Also brach mir diese Enthüllung nicht gerade das Herz. „Sag mal, stimmt das? Dass du einen Schwarm hast?“, fragte ich sie trotzdem mit leicht gesenkter Stimme und einem Grinsen im Gesicht, als die Bedienung gegangen war. Es war einfach ein amüsantes Gesprächsthema, fand ich. „Erzähl mir mehr. Warum wollte der nicht mit dir ins Kino?“
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Ich sah ihnen zu, wie sie Fotos machten. Man merkte auf jeden Fall deutlich, dass Meguru Model war. Sie wusste immer genau, wie sie posieren musste. Eigentlich war das fast schon interessant. Als die Beiden fertig war, wandte sich die Bedienung wieder mir zu, und wollte meine Bestellung aufnehmen. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich ihrer Anmerkung mit dem Date widersprechen sollte. Sonst könnte es durchaus sein, dass sie ihren Freundinnen erzählte, dass sie Meguru auf einem Date getroffen hatte. Und das wollte sie bestimmt nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das super förderlich für ihre Karriere wäre. Deswegen lachte ich. „Ist schon in Ordnung, mir macht das nichts. Es ist kein richtiges Date, nur freundschaftlich. Sie steht garantiert nicht auf mich.“, erwiderte ich, und schlug dann nochmal die Karte auf, um ihr zu sagen, was ich bestellen wollte. Ob sie die Getränke übernehmen sollte oder Meguru das lieber ablehnen wollte, musste sie selbst entscheiden. Ich zahlte schließlich sowieso nichts davon. „Also, ich hätte gerne einen Orangensaft, dann einmal Spaghetti Bolognese, und zum Nachtisch das Tiramisu. Das wäre super.“
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„Wir können uns immer wieder sehen. Ich hab endlos viel Zeit.“ Als die Bedienung anfing, auf Meguru einzureden, verstummte ich. Man hatte das Gefühl sie hörte gar nicht auf zu sprechen. Und es war eindeutig, dass sie meine Begleiterin wohl von ihrem Instagram Account kannte. Anscheinend wollte sie Meguru mit keinem ihrer Worte auf die Füße treten, gleichzeitig konnte sie sich aber auch nicht zurückhalten. Sogar rot wurde sie. Obwohl mir solches Benehmen nicht fremd war, ich wusste, wie Leute manche Berühmtheiten verehrten, kam es mir immer etwas seltsam vor. Ja, Meguru war ziemlich lustig, sie sah gut aus, gleichzeitig unterschied sie sich in meinen Augen dennoch nicht so sehr von normalen Menschen, dass man so eine riesige Show daraus machen musste. Naja, ich beschloss trotzdem, ihr diese Freude zu lassen, und mich nicht einzumischen. Stattdessen stützte ich den Kopf in die Hände, und sah den Beiden zu, wie sie sich unterhielten. Ich würde jedoch lügen, wenn ich sagte, dass ich nicht ein wenig hoffte, dass sie damit bald durch waren. Inzwischen hatte ich schon ein wenig Hunger. Trotzdem versuchte ich, nicht allzu genervt, oder gelangweilt auszusehen.
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„Ist schon gut. Ich weiß, dass solche Themen für dich wahrscheinlich wichtiger sind. Weil du Model bist, und so.“ Und weil sie eine Frau war. Das ließ ich jedoch lieber weg. Sonst würde Meguru mich noch für einen Sexisten halten. Ich konnte mir vorstellen, dass das Gespräch dann noch weiter ausarten würde, und das wollte ich nicht. „Und vielleicht, wenn wir uns irgendwann etwas besser kennen, und ich wirklich einmal neue Schuhe brauchen sollte, kannst du mir helfen, welche auszusuchen? Ich kenne mich da nicht so aus.“ Das war sozusagen ein kleines Friedensangebot von meiner Seite aus. Ich legte meine Karte ebenfalls zur Seite. „Meinetwegen können wir bestellen. Ich weiß, was ich essen möchte.“, sagte ich lächelnd. „Und du?“
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