Ich wartete geduldig bis Victorine sagte was sie ausdrücken wollte, woraufhin sich ein kleines, aber sanftes Lächeln auf meinen Lippen bildete. Dann kann ich ganz auf deine Ehrlichkeit bauen, huh? Ich war allerdings doch etwas überrascht, als Victorines Hand ihren Weg an meine warme Wange fand und sie ihre Worte wiederholte, die mir nun nur noch schwerwiegender vorkamen. Meine Wangen wurden noch etwas dunkler, aber mein Herz schlug vor Freude schneller. Ich weiß gar nicht was ich zu so einem Kompliment sagen soll.

Es bewegte mich mehr als nur reine Anziehung, das war etwas, das ich mit etwas Schrecken festgestellt hatte, denn natürlich hatte es schon Frauen gegeben, die ich als attraktiv empfunden hatte, auch wenn ich meistens nicht in der Lage gewesen war, es wirklich direkt zu sagen, lange Zeit auch wegen der Kultur, die solche Zuneigung öffentlich auch gar nicht zugelassen hatte. Ich brauchte wieder kurz, um die richtigen Worte zu finden, um meine Gefühle auszudrücken. Ich sammle diese Postkarten seit hunderten von Jahren und ich denke, jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, sie zu teilen., erklärte ich schließlich leise, bevor ich mich ganz vorsichtig an eine Art Scherz heranwagte, während ich Ayumi sanft über die Wange strich, Ich weiß auch nicht oft, was ich sagen soll.

Ich schmiegte mich leicht in Victorines weiche, zarte Hand hinein und hob die meine um sie leicht nur darüber zu legen. Ich kann dir gar nicht sagen wie geehrt ich mich fühle. Ich sah wieder Victorine an, ihr wunderschönes, puppengleiches Gesicht mit den dunklen, ausdrucksstarken Augen, die die meine praktisch nie wirklich trafen. Ich lächelte auf den kleinen Scherz hin und schnaubte amüsiert. Fühlt sich an als hättest du heute den Spieß umgedreht. So blöd Kais Idee auch war... irgendwie war sie das doch wert.

Musst du nicht. Die Ehre ist ganz meine., sagte ich vielleicht etwas poetisch, aber ich hatte nun auch einmal keine besonders große Erfahrung mit solchen Dingen, ich hatte höchstens andere dabei beobachtet, wobei ich auch da gestehen musste, dass meine meisten Beobachtungen von vor und von nach dem 19. Jahrhundert stammen, von neuem Dating hatte ich noch keine großen Erfahrungen. Ich musste allerdings doch leicht schmunzeln, als ich Ayumi's Worte hörte, leise und in mich hinein, bevor ich etwas verlegen den Kopf einzog. Ich hatte mich nie wirklich als Person betrachtet, die in diesem Sinne für jemand anderen interessant sein konnte.

Ich lächelte warm und glücklich und wäre da nicht noch der Geruch nach nassem, verbrannten Holz in der Luft, dann wäre dieser Moment wirklich perfekt gewesen. Ich wollte meinem Bruder sowohl danken, als auch ihn erwürgen, vielleicht würde ich ja einfach beides tun. Ich hab dich echt vermisst, weißt du das?

Langsam zog ich meine Hand an ihrer Wange zurück, um mich persönlich nicht zu überfordern, ich musste damit noch wirklich aufpassen, jetzt wo ich mehr mit anderen Leuten zu tun hatte, ich war Körperkontakt nicht gewöhnt, plötzlichen oder längeren schon gar nicht und ich wollte wirklich alles tun, um zu vermeiden, eine unangenehme Reaktion vor Ayumi zu haben. Allerdings blinzelte ich dann doch etwas mehr als erstaunt zu ihr hinauf, meine Augen dieses Mal auf ihr Gesicht gerichtet, allerdings mehr auf ihre Nase, als auf ihre Augen. Ich dich auch., schaffte ich es schließlich zu sagen und gab dann ehrlich zu, Ich habe mit Sandy auch über dich gesprochen. Er meinte, er würde sich für uns freuen.

Ich grinste kurz erfreut, legte dann aber nachdenklich den Kopf schief, ich vermisste Victorines Hand an meiner Wange sofort, jagte ihr aber nicht nach, es war wohl am besten sie nicht zu überfordern. Ich legte einen Finger an mein Kinn und dachte an Sandy, dem ich selbst noch nichts von uns erzählt hatte. Das ist gut, es wäre schlecht gewesen, wenn er was dagegen gehabt hätte. Wo wir gerade dabei sind, mein Bruder war auch sehr begeistert. Ich schnaubte kurz amüsiert, als ich daran dachte wie blöd er reagiert hatte, doch er war sehr auf meiner Seite und das war das wichtigste.

Kaito., meinte ich nachdenklich und atmete dann fest durch, bevor ich nickte, Ich würde ihn gerne kennenlernen. Es musste nicht jetzt sein, ich genoss die Zeit mit Ayumi zu zweit eigentlich sehr, sie war deutlich weniger überfordernd als die größere Masse, auch wenn ich theoretisch wusste, dass ich wohl irgendwann als Anführerin auch zur Terrasse zurückkehren sollte, aber gerade war mir die Ausrede noch etwas hierzubleiben nur recht. Ich ließ meinen Blick erneut über ihr Kleid gleiten, das einfach perfekt war, ich fühlte mich wie in der Anwesenheit einer Prinzessin. 공주님., entkam es mir leise.

(공주님 (Gongjunim) [KR] = "Prinzessin" (koreanischer Kosename))

Ich warne dich gleich, er kann sehr... viel sein. Ich grinste, als ich diese sehr dezente Beschreibung für meinen Bruder wählte, die sehr sanft umschrieb wie er sein konnte, wenn er wollte. Dann aber sah ich Victorine fragend an, als sie ein korenisches Wort sagte, das ich natürlich nicht verstand. Ich muss Koreanisch lernen. Was heißt das?

Leise schnaubte ich und es klang beinahe wie ein Lachen, denn zugegeben, ich hatte ihn bereits ein wenig beobachtet, und zumindest seine Körpersprache war mehr als nur einladend gewesen, sehr offen, er hatte sich auch sofort mit mehreren Personen unterhalten, ich hatte also keine Zweifel, dass Ayumi von ihrem Zwillingsbruder die richtige Einschätzung hatte. Ich nickte allerdings, als Zeichen, dass ich ihn trotzdem gerne kennenlernen würde, denn immerhin gehörte er zu Ayumi. Ich hatte keine Geschwister, aber hätte ich die Chance gehabt, hätte ich sie meinem Vater auch gerne vorgestellt. Es ist ein Name für dich., sagte ich allerdings nun, beinahe mit einem etwas neckenden Unterton, Vielleicht sage ich es dir einmal.

Ich zog einen natürlich recht übertriebenen Flunsch und schüttelte wie Enttäuscht den Kopf. So gemein, ich könnte es ja auch einfach googeln. Ich grinste wieder und zwinkerte Victorine zu. Aber ich will das lieber von dir erfahren, also muss ich wohl warten. Ich seufzte unernst und lächelte leicht. Also, was machen wir jetzt? Willst du schon zurück, oder wollen wir einen kleinen Spaziergang durch den Wald machen? Ich bin sicher die Party kommt noch ein bisschen ohne uns aus.

Zwar würde ich gerne sehen, wie Ayumi versuchte das Wort zu schreiben, es würde mich ehrlich beeindrucken, wenn sie sich überhaupt die Aussprache gemerkt hätte, aber ich spürte, wie meine Wangen etwas rot wurden, ich dafür trat in einem unüberlegten Moment kurz näher an sie heran. Ich lehnte mich nach oben und musste mich etwas auf die Zehen stellen, um an ihr Ohr heranzukommen, in das ich leise sagte, Wenn du geduldig bleibst, wird sich das sicher lohnen, 공주님. Mit einem leisen Ausatmen trat ich wieder zurück und nickte dann zustimmend, während ich mich im Wald umsah, als wäre nichts passiert. Ich zögerte kurz, bevor ich Ayumi meinen Arm anbot. Gehen wir spazieren.

(공주님 (Gongjunim) [KR] = "Prinzessin" (koreanischer Kosename))

Ein wohliger Schauer lief sofort über meinen Rücken, als ich Victorines Stimme so dicht an meinem Ohr hörte und ihre Lippen so dicht an ihm vorfand. Oh und wie Geduldig ich sein werde. Ich grinste freudig und nahm dann auch nur zu gerne Victorines Arm an, als sie meine Idee mit dem Spazieren gehen annahm, ehe ich mich auch schon in Bewegung setzte. Ihr habt so einen wunderschönen Wald, echt schade, dass ich bisher noch nie hier war.

Noch nie?, fragte ich doch erstaunt nach, bevor ich leise vor mich hin überlegte, Ich dachte, wegen deiner Fähigkeit, dass du vielleicht- Ich unterbrach mich selber und schüttelte den Kopf, der Wald hatte einfach so gut zu Ayumi gepasst, dass ich irgendwie davon ausgegangen war, dass sie schon einmal hier gewesen war. Du kannst jederzeit hierher kommen., sagte ich stattdessen schnell und sah zu den Baumwipfeln hinauf. Vielleicht gab es ja eine Möglichkeit, wie ich Ayumi hierher einladen könnte, ich musste nur ein paar Ideen sammeln oder, heutzutage zum Glück, im Internet nachsehen.

Das ist immerhin euer Gebiet, als SonnenClan Mitglied hatte ich hier bisher nie was zu suchen gehabt. Victorines Überraschung überraschte wieder mich, denn mir war das so logisch erschienen. Ohne Erlaubnis konnte man nicht einfach in die Gebiete der anderen Clans wandern, das konnte großen Streit geben. Unwissende waren da natürlich etwas anderes, aber ich war seit meiner Geburt mit diesen Regeln aufgewachsen, von mir wurde erwartet, dass ich mich daran hielt. Danke, das möchte ich gerne. Ich lächelte und spielte mit meiner freien Hand an einer meiner Haarsträhnen, die leicht in mein Gesicht fielen.