Mit bedachten Schritten, die Hände vor mir verschränkt, folgte ich Tybalt in die Villa und somit auch bis zum Wohnzimmer hinein. Ich genoss es eigentlich, dass es nicht so übermäßig laut wirkte, zumindest für den Moment, ich musste mir leider hanz still und heimlich eingestehen, ich vermisste die lauten Idioten von "S" doch sehr. Wie ist so ein Clan denn aufgebaut?, fragte ich schließlich nach, immerhin hatte es sogar bei "S" eine gewisse Rangordnung um uns Gründer herum gegeben, ich konnte mir nicht vorstellen, dass es in Frankreich in einem Vampirclan so anders war.

Anstatt die Nähe zu suchen, wie es Meguru zum Beispiel bei mir getan hatte, weil das in Japan einfach nicht so Tradition war, auch wenn meine Freunde ziemlich gut darin waren, das zu ignorieren, blieb ich lieber auf Distanz. Ich setzte mich also auf eines der Sofas, aber nicht auf dasselbe, auf dem Tybalt saß, und stellte meine Beine elegant nebeneinander, meine Hände lagen ruhig auf meinem Schoß. Das letzte Wort seiner Erklärung hätte ich beinahe verpasst, allerdings war es so enorm wichtig, das als ich es verstand, meine Augenbrauen in die Höhe schossen. Ich... verstehe., sagte ich schließlich langsam und rückte meine Brille zurecht, bevor ich sehr direkt feststellte, Du hörst dich nicht besonders glücklich darüber an.

Hm., machte ich, es erklärte jedenfalls den extrem ruhigen Zustand der Villa, ein Clan ohne Anführer konnte gar nicht funktionieren, das war mir auch klar. Ich wusste allerdings, das Sachen zwischen Vampiren nie so einfach waren, ein Grund weshalb ich auch zu meiner reinblütigen Familie kaum noch Kontakt hatte. Ein Vampir zu sein wird auch nie einfacher., stellte ich schließlich fest, Hast du Wein oder so etwas? Es wirkt, als könntest du ein Glas vertragen. Alleine trinken war natürlich nicht besonders förderlich, aber Tybalt war schließlich auch nicht alleine, nicht mehr jedenfalls, egal wie die Villa wirkte, wir waren auf jeden Fall zu zweit. Ich wusste auch nicht, wie man so ein Problem am besten lösen sollte, ich kannte weder die ehemalige Anführerin noch ihre Situation, aber immerhin das konnte ich anbieten.

Nicht schlecht., sagte ich zugegeben schon ein wenig beeindruckt, als ich die geholte Flasche musterte, natürlich war ich Kojiro gewöhnt und seine Auswahl an zufällig immer perfekt zu seinem gekochten Essen passenden Weinen, aber ich musste zugeben, Tybalt hatte offenbar auch sehr guten Geschmack. Ich war inzwischen immerhin doch durch meine sozusagen kulinarischen Abenteuer mehr als nur eindeutig mit einigen Weinen vertraut und somit auch mit ihren besseren und schlechteren Eigenschaften. Vor allem allerdings den besseren. Ich fragte mich, ob alle Italiener Ahnung von Wein hatten, oder ob es wieder nur eher eine Art Tradition war, vielleicht auch Zufall. Ich hob also mein Glas und hielt es Tybalt zum anstoßen hin. Kanpai., prostete ich ihm auf Japanisch zu, bevor ich etwas ironisch hinzufügte, Trinken, um zu vergessen.

Es dauerte eine Weile, bis ich auf seine Frage antwortete, denn ich brauchte noch etwas flüssige Ermunterung, weshalb ich etwas unzivilisiert gleich beinahe das halbe Weinglas leerte, es war seltsam, aber irgendwie fühlte ich mich trotzdem, als wollte ich auf diese Frage etwas erwidern, es war wie bei Kojiro, all die Abende in seinem Restaurant, er hatte mich immer dazu bringen können, doch noch etwas zu sagen. Ich sah nachdenklich auf mein Glas, während ich mich leicht schwummrig fühlte. Alleinsein ist nicht wirklich dasselbe wie einsam zu sein., sagte ich schließlich leise und sah mich dann nachdenklich in der ruhigen Villa um, Ich glaube, ich wohne selber in einem leeren Haus. Natürlich war es eher metaphorisch gesprochen, ich lebte in keinem Haus, ich hatte noch nicht einmal eine eigene Wohnung, sondern nur ein Geschäft, aber dennoch hatte ich von Japan nach Frankreich zu ziehen einiges an Anschluss verloren, wie mir nun erst aufgefallen war. Ich hatte vielleicht etwas überstürzt gehandelt, nach allem was passiert war, aber ich hatte einfach etwas Abstand von allem gebraucht. Ich konnte es nicht direkter zugeben, aber ich hatte das Gefühl, Tybalt würde verstehen, was ich meinte.

Während ich mein eigenes Glas leerte, viel zu schnell, aber was sollte ich schon machen, es war immerhin nicht so, als käme ich bis morgen von hier weg, schon gar nicht mit meinem Auto und ohne wiederkehren zu müssen, also kümmerte ich mich einfach nicht groß darum. Leicht ins nichts starrend nickte ich, ich hatte das Gefühl, wir saßen wirklich beide im selben Boot, es war erstaunlich, denn das hatte ich schon sehr lange nicht gehabt. Zumindest müssen wir nicht alleine trinken, das wäre erbärmlich., schnaubte ich mit einem Schulternzucken, ich sprach es sehr direkt an, denn es war nun einmal offensichtlich, was wir hier taten, aber ich hatte auch keine besonders große Toleranz für Alkohol, ich bekam jetzt bereits ein wenig rote Wangen, in Japan allerdings recht gewöhnlich. Ich stellte mein leeres Glas vor mir ab, bevor ich nach einem kurzen Zögern dann doch auch noch zur Weinflasche griff und zuerst Tybalt nachfüllte, bevor ich mir auch noch einschenkte, das war immerhin nur höflich und sein Glas war sowieso schon fast leer.

Kurz musste ich dann doch ein wenig schmunzeln, denn da hatte mein Trinkkumpel wohl absolut recht, aber dann konzentrierten wir uns auch schon auf das wichtigste, namentlich das Trinken selbst. Ich leerte auch mein zweites Weinglas viel zu schnell und auch, wenn etwas in meinem Inneren mir sagte, dass das eine sehr dumme Idee war und ich spürte, wie meine Wangen jetzt bereits rot anliefen, hielt ich Tybalt mein Glas gleich noch einmal hin. Meine Sicht verschwamm bereits leicht, als ich plötzlich bemerkte, wie sich mein Mund zu bewegen begann der Alkohol hatte offenbar auch meine noch immer in Französisch etwas ungeübte Zunge zu lockern, Weischt du... esch hat allesch damit angefangen, dassch...

tbc: Dunkle Höhlen