<< Ryan's Unterkunft

Am Ende des Wegs erneut eine Tür welche ich durch leichtes aufdrücken öffnete. Ein sehr leises, kaum wahrnehmbares, Quietschen ertönte. Durch einen Federmechanismus schloss sich die Tür selbstständig hinter mir wieder. Bevor ich den weit kürzen Flur, zum Lokal, bis zum Ende ging, verschwand ich nochmal in einem Raum um dort die Lichter des Lokals einzuschalten. Denn es war sonst stockfinster. Nachdem ich die Schalter für die verschiedenen Areale umgelegt hatte, begab ich mich ins Lokal selbst. Mein Blick schweifte und ich fasste mir mit der Rechten in den Nacken. Ich schloss meine Augen, legte den Kopf in den Nacken und drücken diesen in meine Hand. Eine unangenehme Verspannung, war dort zu spüren die sich über meine Schultern zog. Kein guter Start in den Abend. Ich öffnete meine Augen wieder und begab mich hinter die Bar. Ich nahm mir eines der sauberen Gläser und schenkte mir einen Drink ein. Die Flüssigkeit war rot und sie roch auch nach Blut, doch sie war dünner als man von Blut gewohnt war. Vermutlich mit etwas gemischt. Ich stellte die Flasche wieder in die Kühlung unter dem Tresen. Mit dem Glas in der Hand bewegte ich mich zur Anlage um die Musik einzuschalten. Bei weitem nicht so laut, als wenn der Laden offen hätte, viel mehr gedämpft erklang der rockige Sound für mich allein. Ich genoss die Ruhe vor dem Sturm und so setzte ich mich mit meinem Glas an einen Tisch, nahm einen Schluck und lehnte mich zurück. Der ruhige Sound wirkte auf mich ein während der Schluck im Mund langsam meine Kehle hinunterlief. Der unmittelbare Eingang war noch verschlossen, auch wenn man sich bereits bis hier her verirren konnte.

Ich war eine Weile durch Bordeaux gelaufen, wobei ich mehr als nur einmal irritierte oder gar angewiderte Blicke erhalten hatte. Inzwischen waren meine Haare von der kühlen Luft getrocknet worden, ja schienen an manchen Stellen sogar leicht vereist. Furcht vor einer Erkrankung hatte ich nicht wirklich, warum auch? Mehr durch Zufall, als beabsichtigt, war ich in die Katakomben der Stadt geraten - was mein nicht vorhandener Orientierungssinn gleich einmal ausnutzte. Wie eine Laborratte im Labyrinth auf der Suche nach ihrem belohnenden Käse, striff ich durch die Gänge - wobei die Stille hier unten dafür sorgte, dass die Musik meines Ipods noch lauter klangen, als gewöhnlich. Wenn ich mal in eine Sackgasse lief, blieb ich Momente lang vor der Wand stehen und starrte diese an, bevor ich mich recht unelegant umdrehte und wieder in eine andere Richtung davon zog. Dabei achtete ich nicht darauf, ob ich anderen begegnete - geschweige denn darauf ob ich einen Weg bereits gegangen war. Mit einem mal begann mein Ipod zu stottern, ehe die Musik abrupt abbrach. Seufzend schaltete ich das Gerät aus. Batterien leer.. Und ich hatte keine Ersatzbatterien dabei. Ruhig nahm ich meine Kopfhörer aus den Ohren und runzelte dann die Stirn. Drang da nicht, wenn auch sehr schwach hörbar, Musik durch die Gänge? Die Augen schließend konzentrierte ich mich auf den Klang und sah dann in die Richtung, aus welcher die Musik zu kommen schien. Erst jetzt, als ich begann der Musik zu folgen, nahm ich die Gänge und ihre Wände um mich herum wirklich wahr. Auch wenn es kein wirkliches Interesse bei mir hervor rief. Die Wege schienen mich tiefer und tiefer zu führen, bis ich vor einer Türe ankam, welche verschlossen war. Doch hinter ihr konnte ich Musik hören und durch die Gitterstäbe in der Tür drang Licht. Komischer Ort.. Auch wenn mir die Katakomben an denen ich vorbei gekommen war, wohl auch seltsam hätten erscheinen sollen, ebenso wie das Becken. Einen Moment starrte ich die Tür einfach nur an, als würde diese unter meinem Blick einfach weg gehen oder sich öffnen. Resigniert drang ein Seufzen aus meiner Kehle, ehe ich die rechte Hand flach hob und zweimal fest auf die Tür schlug. Ob hinter der Tür wohl jemand war?

Ich kannte die Band nicht die gerade spielte, aber es spielte auch keine Rolle. Die Melodie war gut. Zurückgelehnt und mit gesenkten Lidern hörte ich der Musik zu. Der süße wie leicht eiserne Geschmack lag noch auf meiner Zunge. Kein Vergleich zu frischem, warmem Blut. Frisches Blut schmeckte doch besser, dabei fällt mir ein, dass es schon ein paar Tage her war, dass ich frisches Blut zu mir genommen hatte. Auch die letzte Jagd lag eine Weile zurück. Meine Lider öffneten sich. Ja, darauf hätte ich wieder Lust. Eine rötliche Pigmentierung erhob sich unter der sonst hellen Färbung der Iriden. Anregend war der Gedanke welchen ich ins Detail vertiefte. Erneut nahm ich einen Schluck aus dem Glas, als auf die Tür zweimalig eingehämmert wurde. Ives? Etwas früh. Doch zeigten sich sogleich leichte Furchen auf meiner Stirn. Nein, er konnte es nicht sein. Denn er würde nicht 'Klopfen' und die meisten Gäste kennen die Öffnungszeiten. Ich ließ einen Moment verstreichen bevor ich das Glas auf dem Tisch vor mir abstellte und mich erhob. Aus dem mehr schwach beleuchtetem Eck begab ich mich schließlich durch das Lokal und die Treppe nach oben um zum Eingang zu gelangen. Dauerte sicher einen weiteren Augenblick. Ich hatte es nicht eilig, wenn jemand hereinwollte, dann würde die Person bestimmt warten. Dabei war es doch von Interesse wer um diese, noch recht frühe Zeit, reinwollte. Möglicherweise ein verirrtes Lamm. Dieser Gedanke machte es mir nun nicht leichter. Die grau-bläulichen Iriden waren weiterhin rot pigmentiert. Ich merkte es zwar nicht, doch wusste ich es. Es war mir aber auch einerlei. Die meisten Menschen waren doch Vampire gewohnt. Zumindest vom Sehen. Etwas womit ich selbst noch haderte, denn mir waren die alten Zeiten doch liebe in denen Menschen Furcht vor uns hatten. Noch während ich den robusten Eisenriegel erfasste und hart zur Seite zog, verwarf ich jeglichen Gedanken. Ich öffnete die schwer wirkende Tür mehr als nur einen Spalt um die davorstehende Person anzusehen. "Hey. Du bist ein paar Stunden zu früh." entgegnete ich dem Grünhaarigem der äußerst jung aussah. Durchaus war der feine unverkennbare Duft von Blut deutlich an mir wahrzunehmen ohne mir näherkommen zu müssen. Musternd blieb mein Blick auf dem Jüngling der verlaufen wirkte und gleichzeitig aber auch nicht. Aber ich merkte sofort, dass es wohl kein Mensch war. Umso besser. "Hast du dich verlaufen?" fuhr ich fort.

Auf mein Anklopfen wurde nicht sofort reagiert, was mich einen Bruchteil von Sekunden die Stirn runzeln ließ. Dann jedoch lehnte ich mich lässig an die Wand nahe der Türe. Es hieß wohl Geduld haben, wer wusste schon, ob die Person hinter der Tür mich gehört hatte? So verstrichen Minuten, ohne dass sich etwas regte. Gleichgültig begann ich vor mich her zu starren. Selbst wenn ich hier Stunden stehen würde, würde mir das wohl nichts ausmachen. Mit einem Mal drang neben der Musik das Geräusch von Schritten an meine Ohren. Sie waren erst sehr leise - wie weit weg - ehe sie sich der Türe näherten. Wenige Augenblicke später öffnete sich die Türe und ein dunkelhaariger Mann sah mich an. Ob sein Blick musternd war, vermochte ich nicht zu deuten, wohl auch weil ich einen Moment meinen Fokus auf die roten Pigmente in seinen Iriden lag. Meine Hände schob ich in die teils ausgeleierten Taschen der Hose. Zu früh? Meine Stimme war träge, als würde ich lange über jedes Wort nachdenken musste. Zu früh für was? Sicher, der zarte Geruch von Blut, welcher von dem anderen Mann ausging war verlockend, jedoch nicht zu sehr dass ich mich nicht hätte beherrschen können. In einer sehr langsamen Bewegung legte ich den Kopf schief, fast wie ein Faultier, welches einen Ast betrachtete - in der Überlegung auf diesen herüber zu klettern. Mhh..schätze..ja? Hier sieht irgendwie alles gleich aus.. antworte ich dann auf die Frage, ob ich mich verlaufen hätte.

Für Vampire war dieses unterirdische Labyrinth üblicherweise keine große Herausforderung. Allein weil sie fähig waren mehr als Menschen wahrnehmen zu können. Nur sehr langsam würde die Verfärbung zurückgehen. So war es bestimmt noch 15-30 Minuten zu sehen, bevor es gänzlich verschwunden wäre. Mir fiel zwar auf, dass mir der Junge in die Augen sah, aber tat man das nicht bei einem Gespräch? Auch mein Blick fand sich in seinen Augen wieder, nachdem der erste Eindruck von ihm erfasst wurde. Es war nicht zu übersehen, dass der Fremde etwas verloren aussah und sich entsprechend unsicher artikulierte. So deutete ich diese beharrliche Bewegung und Ausdrucksweise von ihm. "Ja, zu früh." wiederholte ich und drückte die Tür zum Anschlag auf, da diese ohnehin nach Innen aufging. Ich musste dabei einen Schritt zurücktreten mit der Tür, wobei sich dann auch mein Blick von ihm löste und ich kurz über das Geländer sah. Man hatte von hier einen sehr guten Ausblick auf das Lokal auch wenn man nicht jede Nische und nur den zentralen Tanzfloor einsehen konnte. Wenn man vortrat bis zum Geländer, konnte man sogar die große Bar sehen, welche sich auf der linken Seite befindet. Das Licht war im Areal gedämpft und düster gehalten nur an der Bar hatte man etwas mehr Licht. "Du hast dich ins After Dark verirrt - meiner Bar." Ich wandte mich wieder dem Verirrten zu, nachdem ich einen vagen Blick in den Raum geworfen hatte. Ich musste mich immerhin nicht wirklich umsehen. "Sie öffnet erst in einigen Stunden." was die Aussage des zu früh seins erklären dürfte. "Aber wenn du schon einmal hier bist. ... " abermals und doch etwas mehr trat ich weiter zurück um ihm Einlass zu gewähren. "...kannst du auch bleiben, wenn du möchtest."

Ich hatte von meiner Mutter gelernt, dass man anderen in die Augen sah, wenn man mit ihnen sprach - wohl der einzige soziale Aspekt, welchen ich übernommen hatte. Ansonsten fehlte es mir an jeglicher Kompetenz auf dem Gebiet des sozialen Wesens. Noch immer lag mein Kopf schief, während ich der Erklärung des dunkelhaarigen lauschte, weshalb ich zu früh sei. Musik..ich bin der Musik gefolgt. erklärte ich dann, als sei dies eine Selbstverständlichkeit. Es war also eine Bar. Aber warum lag diese in den Gängen, welche sichtlich unter der Stadt lagen? Komische Bar..müsste diese nicht irgendwo in der Stadt sein..also oben und nicht hier unten? Es klang als würde ich mehr zu mir selbst sprechen, als zu Ryan. Auch wenn man es mir nicht ansah, begann ein wenig die Neugier mich zu erfassen, besonders da die Bewegungen des anderen darauf schließen ließen, dass ich durch die Tür kommen durfte. Dies bestätigte sich auch einige Momente später. Danke..schätze ich? Sagt man doch oder? in einer sehr langsamen Weise strich ich mir eine Strähne aus der Stirn, welche sich noch immer etwas vereist anfühlte. Immerhin waren die Katakomben nicht beheizt. Fast schon schlurfend folgte ich der Einladung, wohl auch weil sich vom rechten Stiefel gerade ein wenig die Sohle löste, welche ich einfach mit Sekundenkleber wieder angebracht hatte. So trat ich wohl neben Ryan und sah mich um, soweit es von hier eben möglich war. Was ich sah gefiel mir, auch wenn dies nicht zu erkennen war. Die Atmosphäre war irgendwie ruhig, ja dämmrig - trotz der im Hintergrund spielenden Musik. Wie bezeichnet man sowas? Hübsch oder so?

Nun wo der Fremde unmittelbar in meiner Nähe stand, konnte er sicher auch den Hauch von Nikotin und dem herben Geruch des Duschgels vernehmen. Obwohl es hier in der ‘Höhle’ ohnehin danach roch, dass man hier rauchte. So gut konnte die Belüftung nicht sein. Selbst ein leichter Moder hing in der Luft. Die Wände waren nicht feucht aber es war ein Jahrhundertjahre altes Tunnel- und Höhlensystem unter der Stadt. Kalt war es hier nicht. Es waren vielleicht konstante 15 Grad + -. Was man erkennen konnte, war das es sauber wirkte. Nicht nur auf den ersten Blick, was man durchaus noch feststellen würde, wenn man sich genauer umsah. Vielleicht nicht ganz so modern wie die meisten Stadtlokale oder Discos. Aber sichtlich wollte ich das auch nicht. Meine Aufmerksamkeit galt seinen Worten und ich lauschte ihnen bis zum Ende. Mir fiel auf, dass er Probleme hatte. Probleme die richtigen Worte oder Bedeutung der Worte zu finden um sich auszudrücken. Ein Phänomen das ich bisher noch nicht sah. "Ich verstehe." langsam führte ich die Türe wieder in ihr Schloss, meine Augen dabei auf meine Handlung gerichtet, und schob den eisernen Riegel mit geräuschvollem Klang davor. "Es ist keine Bar für Jedermann." erwiderte ich während sich mein Blick wieder auf den Grünhaarigen richtete. Ich schlug jedoch nicht aus, dass nicht jeder kommen könnte, wenn er wollte. Jedoch war der Ort weder leicht zu finden, wenn man danach suchte, noch war der Musikgeschmack und das Ambiente etwas das jeden ansprechen würde. Ich deutete mit meiner linken Hand leicht an, dass er ruhig die Treppe hinuntergehen konnte, vor allem da er auch vor mir stand. "Nein, hier stört die Lautstärke der Musik nicht." sprach ich weiter und würde Nolan folgen, sofern er vorgehen würde. "… und wir entziehen uns hier ganz gut vor dem Auge des Gesetzes. Das heißt, was hier passiert, bleibt auch hier." Eine Anspielung die man sicherlich aus vielerlei Blickwinkeln betrachten konnte.

Ja ich mochte die Atmosphäre, welchen die Bar ausströmte. Sicher, der Geruch und die Temperatur waren sicherlich nicht für jedermann - oder eben Frau - etwas, doch mir gefiel es. Ohne dass es mir selber bewusst war, huschte für eine Millisekunde ein zufriedenes Lächeln über meine Lippen. Ich sah zu Ryan, dessen Geruch, wie ich zumindest fand, gut in das Ganze Ambiente passte. Aufmerksam hörte ich ihm zu, ehe ich seiner einladenden Handbewegung folgte und mich träge in Bewegung setzte. Auf den wenigen Stufen, welche in den Raum hinab führten, verfing sich jedoch die gelöste Sohle an eine der Kanten, so dass ich ins Straucheln geriet. Da meine Hände noch immer tief in meinen Hosentaschen steckten, stürzte ich die letzten Stufen hinunter, was doch recht schmerzhaft war. Doch weiterhin zeigte mein Gesicht keinerlei Regung und auch mein Körper zeigte nach außen hin keinerlei Reaktion auf den Schmerz. Dieser pochte vor allem in den Knien, auf welchen ich gelandet war. Mich mit den Händen abstützend raffte ich mich auf und striff meine Kleidung zurecht, als sei nichts gewesen. Am rechten Knie war nun der Stoff der Hose leicht eingerissen und der Geruch von Blut ging von einer kleinen Schürfwunde aus. Die Musik ist gut. Ich sprach als sei nichts gewesen und schob auch die Hände wieder in die Hosentaschen zurück. Auf Ryans Letztere Anmerkung ging ich nicht ein. Warum sollte mich auch interessieren, ob etwas gegen das Gesetz verstieß oder nicht? Sicher, an der Oberfläche gab es Spinner die sich Dinge heraus nahmen, welche nicht denen entsprachen was irgendwo nieder geschrieben stand - doch sollte nicht jeder das Recht haben so zu leben dass er sich gut dabei fühlte?

Das schlurfende Geräusch ließ meinen Blick zur Ursache folgen. Nicht der Gang allein war dafür verantwortlich, wie ich herausfand. Die Schuhe hatten ihre besten Tage hinter sich, aber das traf auf die gesamte Garderobe zu. Ich sah wieder auf und folgte mit ebenso langsamen Schritten. Seine Bewegungen waren schon mehr als gemächlich fast schon kraftlos. Etwas das ich auch an der Haltung erkennen konnte. Konnte oder wollte er nicht? Verhungert sieht er nicht aus. und noch während ich eine Antwort suchte, sah ich wie der namentlich Fremde das Gleichgewicht verlor und die letzten Stufen hinunterstürzte. Durchaus hätte ich seinen Kragen packen können, dann hätte es ihn wohl, wenn überhaupt, nur hingesetzt. Ich hielt jedoch inne, senkte den Blick zur Stufe vor mir und hob das Stück der Sohle auf. Schließlich folgte ich ihm hinunter. Er versuchte nicht einmal sich festzuhalten. Mir war zwar bewusst, dass seine Hände in den Taschen waren aber es gab noch nicht einmal eine Bewegung den Sturz abfangen zu wollen. Auf welche Art und Weise auch immer. Prüfend lang mein Blick auf Nolan als dieser sich vom Boden erhob als sei nichts passiert. Ich hatte vielleicht einen leisen Fluch erwartet. Eine Reaktion die man in so einer Situation möglicherweise von sich gab aus Schmerz oder Scharm. Ich roch die wenigen Tropfen Blut die die Schürfwunde nach und nach leicht benetzten. "Geht es dir gut?" Eine Frage die ich weniger aus Sorge aussprach, sondern aus Interesse. Augenscheinlich schien nur die Hose und das Knie gelitten zu haben. "Lass uns weiter hineingehen." Ich deutete in die Richtung der Bar.

Ich zog gleichgültig die Schultern hoch, als Ryan mich fragte ob es mir gut ging Denke schon. Mein Blick fiel auf das Stück Sohle, welches der Dunkelhaarige aufgehoben hatte und stellte einen Moment meinen rechten Fuß schräg, so dass ich die Unterseite des Stiefels begutachten konnte. Im Grund lief ich auf diesem Fuß wohl nun barfuß, da ich auf Socken wie meistens verzichtet hatte. Ruhig stellte ich den Fuß wieder gerade Okay. Nun war mein Gang wohl nicht mehr so schlurfend wie zuvor, als ich mich in Bewegung setzte, jedoch spürte ich die Kühle des Bodens an meinem Fuß. Mich erneut ein wenig umblickend, entschied ich mich dazu zu dem Tisch zu gehen, auf welchem bereits ein Glas stand. Offenbar hatte der Dunkelhaarige vor meiner Ankunft etwas getrunken. Schweigsam wand ich mich um und lehnte mich dann derart an den Tisch, dass ich meine Beine bequem ein wenig anwinkeln konnte ohne Gefahr zu laufen umzufallen. Darf ich? Damit deutete ich auf das Sohlenstück. Ich würde wohl doch eine andere Lösung finden müssen um den Stiefel zu reparieren.

Abermals folgte ich nachdem der Grünhaarige festgestellt hatte, das ihm wohl ein Stück seines Schuhs fehlte. Für einen kurzen Moment spielte ich sogar mit dem Gedanken, ihm Kleidung von mir anzubieten. Aber das war vermutlich nicht ganz sein Stil und nicht seine Größe. Bei der Ankunft beim Tisch war der Gedanke auch wieder verworfen. Mir fiel auf, dass er den Tisch wählte auf dem das Glas stand, welches noch immer ein zwei Schluck beinhaltete. Mein Blick verharrte auf Nolan, als dieser sich letztendlich gegen einen Tisch lehnte und seine abgerissene Sohle zurückforderte. "Viel wirst du damit nicht mehr anstelle können, außer du möchtest dir die Sohle an deinen Fuß kleben." Mit den Worten reichte ich ihm das Stück Hartgummi. "Ein paar Neu oder Gebrauchte dürften fällig sein." Nicht wissend, dass sich mein Gegenüber das möglicherweise nicht leisten konnte. Denn daran dachte ich nicht, auch wenn es vielleicht offensichtlich war. Aber ich ließ mich auch nicht von Äußerlichkeiten beeinflussen. Es war doch durchaus möglich, dass ihm der zerschlissene Look einfach gefiel.

Mit einer trägen Bewegung nahm ich den Sohlenteil an mich Vielleicht brauche ich einfach besseren Kleber.. erwiderte ich dann mit leicht zur Seite geneigtem Kopf und betrachtete das Hartgummi eine Weile. In letzter Zeit werden eher weniger Schuhe bei der Altkleider-Sammelstelle abgegeben. Schätze im Winter brauchen die Leute ihr abgetragenes Schuhwerk selbst. wieder zog ich gleichgültig die Schultern hoch. Wobei ich gegen neue Schuhe nichts hätte - voraus gesetzt ich hätte einen Job mit dem ich mir sowas leisten könnte.. Kurzerhand schob ich das Sohlenstück in meine linke Hosentasche. Später würde ich es wieder anbringen, irgendwie. Wäre es nicht normal, erst einmal nach einem Namen zu fragen? Ich bin oft beschimpft worden, wenn ich irgendwo fremd hin komme und meinen Namen nicht genannt habe.. wieder klang es als würde ich mit mir selbst und nicht mit Ryan sprechen.

Nachdem er sich wieder die Sohle angeeignet hatte, wandte ich mich meinem Trink zu. Ich nahm mir mein Glas und lauschte Nolan. Er sprach von stärkerem Kleber und der Sammelstelle für Bedürftige. In seiner Stimme und wie er es aussprach, schwang stets eine monotone Gleichgültigkeit mit. Eine gewöhnungsbedürftige Art. Doch war er wie er war. Wir kannten uns so gut wie gar nicht. Noch gar nicht ausgesprochen, merkte ich, dass er wohl keinen Job haben dürfte, was mit der darauffolgenden Aussage noch bestätigt wurde. Erneut nahm ich einen zurückhaltenden Schluck, als ich längst wieder vor ihm verweilte und ihn ansah - zusah als er sich das abgerissene Stück Sohle einsteckte. "Für wahr. Es war nicht höflich." sprach ich als das kurz im Rachen gehaltene Blut geschluckt war. Nichts dass man äußerlich gesehen hätte. Er wurde beschimpft? "Ryan ist mein Name." Um sich nachträglich vorzustellen. "Und wenn du mir deinen verraten wollen würdest?" Ich würde abwarten bevor ich mich zur Bar begeben würde. War sie von diesem Tisch doch etwas weiter entfernt und ich wollte nicht schreien um mich mit ihm unterhalten zu können.

Ich zögerte merklich, nachdem Ryan mir seinen Namen gesagt hatte. Nolan Es war das erste Mal seit langem - oder viel mehr seit ich nicht mehr bei meiner Familie verweilte, dass ich jemanden meinen echten Namen nannte. Doch da Ryan mich, obwohl wir uns fremd waren, herein gelassen hatte empfand ich es nur als fair ihm gegenüber ehrlich zu sein. Denn ich hätte ja wer weiß was tun können, nachdem er mir die Tür geöffnet hatte. Doch Ryan war offensichtlich sich seiner derart sicher, dass er mir in einem gewissen Grade zu trauen schien. Ich habe leider kein Geld bei mir..aber..könnte ich vielleicht einen Schluck ab haben? Bitte? Das Wort Bitte kam verzögert, da ich nicht sicher war, ob man es nun mit anbrachte oder nicht. Jedoch deutete ich wohl mit schwach erhobener Hand auf das Glas, aus welchem Ryan trank, ehe ich mich wohl aufrichtete und vom Tisch abstieß. Irgendwas sagte mir, dass es nicht gerade von Höflichkeit zeugte, wenn ich wie ein nasser Sack Kartoffeln herum lungerte.