Geduldig hörte ich mir Linas Worte an. Sie hatte leider recht damit. Und dass Nik so uninteressiert von seinem Vater sprach, war einfach unglaublich. Ich schon es gewiss nicht auf den Jungen, wenn „Daddy“ nicht da war, wie sollte er einen Bezug zu ihm aufbauen? Ich musste an unsere Kindheit denken und daran, wie liebevoll unsere Eltern sich um uns gesorgt hatten. Und wie toll meine Eltern mit Lex und ihrem Bruder umgegangen waren, nachdem ihre Eltern durch einen Bombenschlag ums Leben gekommen waren. Diese beiden Kinder hatten eigentlich genauso eine Familie verdient. Lex war eine gute Mutter, das äußerte sich schon in den Worten ihrer Tochter, dass sie fand, ihre Mutter verdiente jemanden, der rückhaltlos hinter ihr stand. „Du kannst auf alles und jeden wütend sein, Lina. Das ist dein gutes Recht. Aber gib dir nicht die Schuld daran, dass Joseph euch kein guter Vater war. Nicht deine Schuld ist es, dass er sich nicht um euch gekümmert hat. Er hat sich abgewandt. Nicht du dich von ihm. Es war seine freie Entscheidung kein richtiger Vater für euch zu sein. Ich habe ihm damals, als ich ihn das erste Mal kennengelernt habe, gesagt, dass er Lex in Ehren halten soll. Als ich dann erfahren habe, dass sie mit dir schwanger war, Lina, habe ich mir so sehr für dich gewünscht, dass du die Eltern haben konntest, die Lex nicht hatte. Ich wusste, dass Lex euch eine gute Mutter sein würde, aber euer Vater hat mich sehr stark enttäuscht und er hat auch sein Versprechen mir gegenüber gebrochen“, sagte ich ruhig. Es war wirklich ungewohnt, so viel zu reden, wenn man sonst vielleicht ein Wort in der ganzen Woche sprach. Aber das, was Joseph hier mit seiner Freundin und seinen Kindern abzog, ging wirklich gar nicht. Wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, hätte ich Lina nicht aus den Augen gelassen. Ich hätte immer auf sie aufgepasst, sie wäre immer mein kleines Mädchen gewesen. Nik hätte ich als stolzen und starken Jungen aufgezogen und hätte ihm natürlich viel Blödsinn beigebracht. Aber Lex und ich würden niemals in dieser Weise zusammen finden. Dafür waren wir viel zu sehr Schwester und Bruder. Erneut wandte ich den Blick Lina zu, die es schaffte, Blitze durch die Gegend zucken zu lassen. „Wenn du so wütend bist, lass es einfach raus. Es ist nicht gut, alles ich sich an zu stauen. Wenn du es jetzt alles raus lässt, wird es dir danach besser gehen“, riet ich. Es war ihre Entscheidung, ich würde auf Nik aufpassen.

Mit einem Satz kam ich auf die Beine und pfiff einmal laut mit meinen Fingern. Dieses Pfiff würde das Rudel niemals vergessen. Und so war es auch, als die Wölfe kamen drückte ich ihnen Nik auf. „Passt bitte auf ihn auf, wir kommen sofort nach“, trug ich ihnen auf. „Deine Schwester muss einmal kurz ihre aufgestaute Energie raus lassen, da ist hier ein bisschen gefährlich für dich“, erklärte ich ihm und scheuchte die Wölfe weg. „So, jetzt kannst du“, wandte ich mich an Lina, sobald die Wölfe weit genug weg waren. „Du hast die Wahl, lass es raus“, ich gestikulierte auf die kleine Lichtung. „oder du lässt den Tränen freien Lauf. Oder aber du machst beides“, schob ich hinter her.

Ich wusste, dass sie so reagieren würde und balancierte mich einfach aus. „Ich sehe es dir an, dass du am liebsten etwas kurz und klein schlagen willst. Wenn du in dieser Verfassung bei Nik bleiben würdest, könnte es passieren, dass er was abkriegt. „Jetzt lass einmal die Kontrolle los, Lina. Es wird dir danach besser gehen“, forderte ich sie nochmal auf.

In einiger Entfernung blieb ich stehen. „Du solltest lieber alleine mit ihr sprechen und dich ihr erklären“, wandte ich mich leise an Joseph.

Ich seufzte tonlos und ging auf Lina zu. Lina, es tut mir Leid das ich ein schlechter Vater für euch bin und dass ich mich nicht gemeldet habe. Glaub mir es tat mir selber weh, aber es war zu eurem Schutz fing ich an.

Sowie Joseph und Lex aufgetauchte waren, wollte ich eigentlich weg gehen, um ihnen Privatsphäre zu gönnen, allerdings kam ich nicht weit, da Lina endlich mal los ließ. Wenn auch auf eine andere Art. Ihre elektrische Spannungswelle knockte mich einfach aus. Ich bekam nicht einmal mehr mit, wie sich sämtliche Haare aufstellten und mein Handy sich ausschaltete. Mir wurde einfach schwarz vor Augen und ich kippte um.

Trotz Entfernung hörte ich Linas Erwiderung, auf Josephs Worte. Ich verstand zwar nicht, was er gesagt hatte, aber die elektrische Welle, die aus meiner Tochter herausbrach verschlug mir die Sprache. Mir standen sämtliche Haare zu Berge, schnell machte ich mir einen Zopf, nur um dann zu sehen, wie Lina und Jay einfach zusammenbrachen. „LINA!“, stieß ich aus und rannte auf meine Tochter zu. Vor ihr ließ ich mich auf die Knie fallen und fühlte ihren Puls. Erleichtert ließ ich mich auf meine Versen sinken. Sie hatte einfach zu viel ihrer Kraft auf einmal benutzt.

Ich hatte nichts auf Linas Worte geantwortet wieso auch, sie hatte ja Recht mit dem was sie sagte. Als sie sich entlud zischte ich vor Schmerz und nur durch meine Kleidung und Stärke blieb mir das Schicksal von Jayden erspart. Ich fing schnell meine Tochter auf und legte sie auf dem Boden ab. Ich ließ Lex sich um Lina kümmern und richtete meine zerzausten Haare. Dabei blieb ich aber neben Lex gekniet.

Völlig benebelt, wachte ich wieder auf. „Wow“, stöhnte ich und setzte mich auf. Kurz rieb ich mir über meine kurzen Haare, dann setzte ich mir wieder meine Kapuze auf. „Alles okay?“, fragte ich Lex, als ich Lina bewusstlos sah

Die wölfe hatten mich nicht mehr aufhalten können und ich war zu meiner Schwester geeilt. Zwischen drin hatte ich einen Stromstoß bekommen. Alle Haare standen mir zu Berge. Die Wölfe sagen aus wie explodiert und knisterten noch leicht durch den Strom. Lina! Mom! Ich hatte Mom entdeckt und sah wie Lina auf den Boden lag. Panik stieg in mir auf und ich atmete schnell. Nein! Ich hatte Angst das meine Schwester Tod war.

„Alles okay“, meinte ich Richtung Jayden, welcher noch ein wenig benommen aussah. „Was hast du Lina ge...“, wollte ich eigentlich Joseph fragen, aber ich wurde von Nik unterbrochen, welcher auf uns zu rannte. Die aufgepufften Wölfe hinter ihm. Ich streckte ihm einen Arm entgegen. Wenn die Situation nicht so ernst wäre, würde ich lachen. Es sah einfach zu witzig aus. „Alles okay, Nik. Deine Schwester hat sich nur verausgabt. Sie muss sich nur ausruhen“, erklärte ich meinem Sohn ruhig.

Gar nichts. Ich wollte mich entschuldigen, da ist Lina ausgerastet meinte ich zu Lex ehe ich mich zu Nik umdrehte. Ich sagte nichts und wagte es meinem Sohn nicht in die Augen zu sehen.