Etienne
Reinigungs- und Aushilfskraft im Club "Sirène"
Beiträge: 40
| Zuletzt Online: 20.09.2023
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Nach dieser unfassbar unhöflichen Handbewegung des Vampirs hätte ich es am liebsten abgebrochen. Eigentlich hätte ich Kyan sagen sollen, dass er sich seinen bescheuerten Auftrag sonst wo hinstecken sollte. Doch ich tat es nicht. Die Hoffnung, dass er mich danach wenigstens in Ruhe lassen würde, war zu stark. Stattdessen verdrehte ich nur die Augen. Nicht mal jetzt ließ er sich dazu herab, mir zu versichern, dass er die Situation nicht weiter ausnutzen würde. Obwohl ich es so oder so nicht geglaubt hätte, wäre das doch ganz nett gewesen. Immer mehr bestätigte sich mein anfängliches Gefühl, dass ihm das Ganze eindeutig viel zu viel Spaß machte. Würde er sich die Gelegenheit, damit weiterzumachen wirklich entgehen lassen? Für ein paar läppische Zigaretten? Unwahrscheinlich. Ich schnaubte nur, als er nachfragte, ob ich ihm nicht vertraute. Das hatte wirklich keine Antwort verdient. Kurz überlegte ich, ob ich ihn fragen sollte, ob ich wieder herkommen, oder ihm die Zigaretten morgen geben sollte. Ich warf ihm einen letzten, zweifelnden Blick zu, beschloss dann aber, mich nicht dazu herabzulassen, das zu tun. Er würde sich doch nur darüber lustig machen, dass ich ihn nicht gleich verstanden hatte. Als ich den Raum verlassen hatte, nahm mein Handy aus meiner Jackentasche, und überlegte einen Augenblick lang nochmal, ob ich Meguru eine Nachricht schreiben sollte. Nein, besser nicht. Zumindest nicht jetzt. Nicht nur, weil ich nicht glaubte, dass er in seinem derzeitigen Zustand antworten würde. Sondern auch, weil ich nicht wollte, dass er meine erste Nachricht zu sehr mit dem Abend verknüpfen würde, der doch sehr negativ gelaufen war. Ich hoffte inständig, dass dieser Kaoru jetzt gut ihn aufpassen würde. Denn wenn ich eine Liste von Leuten aufstellen sollte, denen ich nicht vertraute, war der mit Kyan ganz, ganz oben. Nun, im Fall von Kaoru konnte man ihm wenigstens zugute halten, dass das unter Umständen mehr an meiner eigenen Eifersucht lag, als an seinem tatsächlichen Verhalten.
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Obwohl ich ihn schon dazu aufgefordert hatte, sich mal zu beeilen, schien Kyan ganz die Ruhe weg zu haben. Ich erwiderte seinen Blick, der mir sehr unangenehm war, stur, und gerade, als ich noch etwas hinzufügen wollte, rückte der Vampir endlich mit der Sprache raus. „Huh?“ Ich war überrascht, wusste im ersten Moment nicht richtig, was ich sagen sollte. Das konnte Kyan doch niemals ernst meinen. So ein Riesentheater, und alles dafür? Natürlich war ich erleichtert, aber in die Erleichterung mischte sich auch leichte Wut. Mit spitzen Fingern nahm ich den Geldschein von meinem Kollegen entgegen, als wäre er vergiftet, und steckte ihn in meine Jackentasche. Wenn ich da so leicht raus kommen würde, würde ich das Angebot annehmen, das war klar. Allerdings trotzdem eher ungern. Für Kyan den Botenjungen zu spielen war irgendwie so entwürdigend. Außerdem war ich mir immer noch unsicher, ob er das Ganze überhaupt ernst meinte. Oder ob es nur ein Spiel für ihn war, und er mir später trotzdem weiter das Leben schwer machen würde. „Wenn du dir mit so einem Scheißzeug die Gesundheit zerstören willst, ist mir das ganz recht.“, meinte ich, und zuckte mit den Schultern. Keine Ahnung, ob Zigaretten bei Vampiren ähnliche Auswirkungen hatten wie bei Menschen, ich war ja keiner, aber ich war echt kein besonderer Fan von den Dingern. Eigentlich hätte ich vielleicht meinen Mund halten sollen, wo Kyan mir schon so einen einfachen Ausweg bot, leider war das nicht meine Art. „Aber komm nicht nachträglich mit irgendwelchen anderen Forderungen an. Wenn ich das für dich gemacht habe, wars das.“
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Leider verging nicht viel Zeit, bis Kyan wieder anfing mich zu belabern. Ich konnte mir kaum irgendeine Strategie zurecht legen. Warum war ihm das Ganze überhaupt so wichtig? Vielleicht war Kyan ein Rassist, wenn man das so nennen konnte, und es machte ihm Spaß, Menschen so auf die Folter zu spannen. Obwohl ich mir das irgendwie auch nicht vorstellen konnte. Zu Meguru zumindest war er sehr nett gewesen. Auch wenn die Erinnerung zunehmend verblasste, weil Kyan wieder das Arschloch raushängen lassen musste... Also mochte der Vampir wohl einfach mich im Speziellen nicht. Keine besonders schöne Vorstellung. Besonders, weil ich ungern meinen Job kündigen wollte, und ich somit wahrscheinlich noch eine Zeit mit ihm zusammenarbeiten musste. Eigentlich konnte er mich damit ewig erpressen. Wer versicherte mir schon, dass er damit aufhören würde, wenn ich seine Forderung erfüllte? Niemand. Eigentlich sollte man solche Typen einfach ignorieren, sonst machten sie immer damit weiter. Doch das konnte ich nicht. Ich brannte darauf, zumindest zu hören, was er von mir wollte. Ich versuchte, betont locker zu wirken. Eigentlich hätte ich mich wohl nicht darum bemühen müssen, Kyan wusste bereits, wie sehr mich das Ganze mitnahm. Und er genoß es. Das war ihm anzusehen, zumindest glaubte ich das, obwohl sein Gesichtsausdruck neutral war wie eigentlich fast immer. Dieser Scheiß Sadist. „Hau raus, und zieh das Ganze nicht noch unnötig in die Länge.“, fauchte ich. Da war es leider schon wieder vorbei mit meiner scheinbaren Lockerheit. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte Kyan böse an. „Aber bild dir ja nicht ein, dass ich alles tue, was du mir sagst. SO wichtig ist mir das auch nicht. Eigentlich ist es mir überhaupt gar nicht wichtig...“
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Es war ganz nett, sich mit Kyan einmal normal zu unterhalten. Vorher hatte ich das noch nie getan, was daran lag, dass ich und mein Arbeitskollege eigentlich nie miteinander geredet hatten. Natürlich konnte es nicht so bleiben. Das hätte mir eigentlich klar sein sollen. Bevor der Vampir sich leider nur vorerst von mir verabschiedete, bedachte er mich mit einem kleinen Spitznamen. Da hätte er mir auch gleich ins Gesicht spucken können, fand ich zumindest. Das war für mich ein ähnliches Level an Respektlosigkeit. Trotzdem verkniff ich mir jeder Kommentar, es war eh unklar, ob Kyan ihn noch mitbekommen hätte. Ehrlich gesagt war der Umschwung zwischen seinem einigermaßen respektvollen Verhalten und diesem dummen Kosenamen zu abrupt, als dass ich mir etwas gutes ausdenken konnte. Was für ein Arschloch. Leider half mir meine Wut auf Kyan wenig dabei, mein Problem zu lösen. Sicher, ich hätte mich einfach davon schleichen können und hoffen, dass mein Arbeitskollege mich nicht erwischte. Nichts zwang mich dazu, bei Ladenschluss noch auf ihn zu warten, und mir seine Erpressungen zu geben. Nur konnte es gut sein, dass Kyan mein Geheimnis einfach verriet, wenn ich ihm aus dem Weg ging. Deswegen kam das gar nicht in Frage. Während ich meiner eigenen Arbeit nachging, die ich bis jetzt zwangsweise hatte aufschieben müssen, was ich für Meguru allerdings gerne getan hatte, konnte ich keine Sekunde aufhören, an die Sache mit Kyan zu denken. Als ich die Theke wischte, war ich so nervös, dass ich mich selbst auf diese einfache Arbeit kaum konzentrieren konnte. Was für eine Forderung würde er stellen? Oder würde er sich vielleicht gar nichts einfallen lassen, und sich wieder nur über mich lustig machen? Ich wusste nicht, welche Vorstellung ich schlimmer finden sollte.
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Es war etwas überraschend, dass Kyan mir eine normale Antwort auf meine Frage gab. Damit hatte ich irgendwie nicht gerechnet, deshalb war es kein Wunder, dass ich für einen kurzen Augenblick nicht wusste, was ich darauf antworten sollte. Schließlich schaffte ich es, mich doch noch zu einer Erwiderung durchzuringen. „Du scheinst ein Talent für Sprachen zu haben, wenn du es dadurch gelernt hast. Ich glaube, dass hat Meguru wirklich geholfen.“,sagte ich schließlich, vollkommen ohne eine Spur von Ironie. Zwar missfiel es mir ein bisschen, gerade dem Vampir solche Zugeständnisse zu machen, aber es stimmte. Ohne ihn wäre die gesamte Situation mit Meguru bestimmt noch komplizierter zu handhaben gewesen, als sie es eh schon war, nicht nur weil er diesen widerlichen Typen herausgeworfen hatte. Das musste ich zugeben. „Naja, ich sollte mich dann mal wieder an die Arbeit machen, damit ich wenigstens noch einen Teil schaffe. Da ist bestimmt ein bisschen was liegen geblieben.“, fügte ich hinzu, als eine Art Verabschiedung. Ich war mir nämlich ziemlich sicher, dass Kyan mir ungern noch weitere Dinge über sein Leben erzählen wollte, und gleichzeitig hoffte ich, dass er eine andere Sache in dem ganzen Chaos zumindest für den Moment vergessen hatte. Bitte sprich es einfach nicht mehr an., betete ich innerlich, machte mir allerdings keine großen Hoffnungen. Kyan war bestimmt nicht die Art von Person, die so etwas einfach auf sich beruhen ließ. Nicht, wenn er mich genauso gut damit ärgern könnte.
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Das selbstgefällige Grinsen hätte Kyan sich sparen können. Achja, alle Anderen fand er also zu nervig? Ich war mir nicht sicher, ob er solche Aussagen treffen sollte, denn seine eigene Persönlichkeit war auch nicht gerade die Definition von angenehm. „Wenn alle anderen nervig sind, würde ich mich mal fragen, ob du vielleicht derjenige bist, der ein kleines Wahrnehmungsproblem hat.“ Als Kaoru mir das Handy aus der Hand nahm, kostete es mich große Anstrengung, ihm keinen bösen Blick zuzuwerfen. Er war mir einfach so tierisch unsympathisch. Ich war mir ziemlich sicher, dass sein Verhalten nicht nur daran lag, dass die Situation ihm gerade viel abverlangte. Ich kannte solche Leute wie ihn nur zu gut. Und ich mochte sie nicht sonderlich. Trotzdem, egal wie sehr ich mir den Kopf zerbrach, ich fand keinen guten Grund, warum eine Übernachtung bei seinem Freund nicht die beste Lösung für Megurus derzeitige Situation war. Kaoru konnte die Nacht über auf ihn aufpassen, und einen Krankenwagen rufen, sollte sich sein Zustand wider Erwarten doch noch verschlechtern. Ich zwang mich deshalb, mein Lächeln beizubehalten. Mein ganzes Unwohlsein mit der Situation lag schließlich am Ende doch nur an meiner Eifersucht und daran, dass ich mich darüber ärgerte, wie Megurus Freund mich behandelte. Das würde ich doch für das Glück meines Idols hinten anstellen können, oder etwa nicht? „Ich wusste gar nicht, dass du so gut japanisch kannst, Kyan.“, meinte ich zu diesem, nachdem dieser sich noch einmal von den Beiden verabschiedet hatte. Was eigentlich ziemlich offensichtlich war. Wie hätte ich es wissen sollen, ich hatte vor diesem Abend noch nie viel mit dem Vampir geredet? Ich hoffte eigentlich nur, dass er nicht gleich wieder mit der Sache vom Beginn unserer Schicht anfing, wenn die Anderen weg waren.
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„Oh, hast du es etwa vergessen? Vielleicht kannst du ihn ja selbst gleich fragen, er ist ja da vorne.“, meinte ich mit einem Lächeln, und mied es, Kyans Frage selbst zu beantworten. Weil ich es nicht konnte, und das wusste er. Noch eindeutiger hätte es gar nicht sein können, dass er diese Frage stellte um mich zu prüfen. Am meisten störte mich daran, dass Kyan nicht einmal versuchte, das zu verbergen. Er machte sich lustig über mich. Wären Meguru und Kaoru nicht hier gewesen, und hätte Kyan nichts gegen mich in der Hand gehabt, hätte ich den Vampir vielleicht einfach ignoriert und wäre gegangen. „Ich weiß nicht, ob dir der Begriff etwas sagt, aber ich habe Freunde.“, zischte ich ihm mit etwas gesenkter Stimme zu, damit die anderen beiden nicht merkten, dass unser Gespräch nicht gerade freundschaftlich war. Ich verbarg den Bildschirm meines Handys mit einer Hand, damit Kyan nicht weiter darauf schauen konnte. Am liebsten hätte ich ihm sonst was erzählt, doch ich biss mir auf die Zunge. Als Meguru ankündigte, dass er jetzt gehen wollte, war ich erleichtert, dass sich mir die Möglichkeit bot, dem Gespräch mit dem Vampir wenigstens für einen Moment zu entkommen. Ich holte das Handy meines Idols aus meiner Jackentasche, und ging ein paar Schritte auf ihn zu, um es ihm hinzuhalten. „Vergiss dein Handy nicht.“, meinte ich, und dieses Mal wirkte Lächeln weitaus ehrlicher. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen oder dich irgendwie zu bedanken. Hauptsache, es geht dir bald etwas besser.“ Kaoru ignorierte ich eher, weil ich ihm eigentlich nichts zu sagen hatte. Ganz egal, ob er wirklich berühmt sein mochte, oder nicht.
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„Ts, wie kommst du darauf, dass ich es nicht wüsste?“, erwiderte ich mit einem angenervten Seitenblick in Richtung Kyan, und vermied damit, eine ordentliche Antwort zu geben ob ich Kaoru nun erkannte oder nicht. Nicht, weil ich ein Problem damit hatte, ihn anzulügen. Bevor ich so etwas einfach behauptete, wollte ich dennoch sicher gehen, dass der Vampir mich nicht irgendwie verarschte und Kaoru wirklich berühmt war, auch bei Menschen.Wenn ich richtig Pech hatte, war das sogar noch irgend so ein Vampir Ding. Natürlich war mir aufgefallen, dass Kaoru einer war. Vielleicht würde ich, sobald ich die Gelegenheit dazu hatte einfach schnell seinen Namen googlen. Während ich in der Nähe von Kyan stand, war das allerdings nicht gerade die cleverste Idee. Irgendwie wurde mir die ganze Sache mit Meguru und seinem Freund zunehmend unangenehmer, trotzdem konnte ich meinen Blick für einen Augenblick nicht abwenden. Sie schienen sich wirklich nahe zu stehen. Schließlich sah ich dann doch zur Seite, und kramte in meiner Jackentasche nach meinem Handy, damit ich wenigstens so tun konnte, als ob ich eine Nachricht oder so schreiben würde. Das fühlte sich einfach zu intim an. Als würde ich etwas beobachten, was mich eigentlich gar nichts anging. Irgendwie war es in diesem Moment ganz erleichternd, dass ich kein japanisch verstand. Sonst hätte ich auch noch gegen meinen Willen ihr Gespräch belauschen müssen. Am liebsten wäre ich einfach rausgegangen. Doch ich hatte auch noch Megurus Handy, und ich wollte die Szene nicht einfach unterbrechen, um es ihm gerade jetzt zurück zugeben. Das wäre total unsensibel gewesen. Deswegen blieb ich einfach neben Kyan stehen.
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Ich hatte immer ein gutes Gespür dafür, ob Leute mich leiden konnte, oder eben nicht. Und der Unterton von Megurus Freund blieb mir nicht verborgen. Zwar versuchte Kaoru, zumindest so zu tun, als würde er sich freuen, meine Bekanntschaft zu machen, doch ich wusste genau, dass es wahrscheinlich nicht so war. „Kaoru.“, wiederholte ich nur lächelnd, als er mir seinen kompletten Namen nannte. Obwohl ich ganz genau wusste, dass ich ihn eigentlich mit seinem Nachnamen ansprechen sollte, wenn man unser Verhältnis zueinander betrachtete. Als er mich fragte, ob Meguru überhaupt in einem Zustand war, um sich zu freuen, zuckte ich leicht mit den Schultern. „Spätestens Morgen, wenn es ihm etwas besser geht mit Sicherheit.“, antwortete ich. Was war das überhaupt für eine dumme Frage? Wenn er nicht gewollt hatte, dass Kaoru vorbeikam, hätte er schließlich nicht gefragt. Also würde Meguru sich schon freuen, irgendwie. Und ich fand, ich hatte eigentlich schon gut genug klar gemacht, dass er nicht so fertig war, dass er gar nichts mehr von seiner Umwelt wahrnahm. Als Kyan uns die Tür öffnete, verwirrte mich sein Gesichtsausdruck ziemlich. Mir war relativ schnell klar, dass er mit Cherry Blossom wohl Kaoru meinte, wegen der ungewöhnlichen Farbe seiner Haare. Doch mir war nicht bewusst gewesen, dass er ihn kannte. In diesem Moment hoffte ich, zumindest nicht besonders gut. Denn das hätte mir gerade noch gefehlt. Ich beschloss, diese seltsame Situation fürs erste einfach zu ignorieren. „Wir sind wieder da, es hat alles gut funktioniert.“, sagte ich stattdessen, eher an Meguru gerichtet. Sein Handy würde ich ihm gleich wiedergeben, das durfte ich auf keinen Fall vergessen.
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Wahrscheinlich sah ich ein wenig so aus, als hätte Kaoru mich gerade bei etwas ertappt, auch wenn das natürlich nicht stimmte. Ich hatte nicht geglaubt, dass er so schnell hier sein würde. „Ja.“, antwortete ich ihm im ersten Moment nur, etwas überrumpelt. Ich musterte ihn kurz, und ließ Megurus Handy wieder in meiner Jackentasche verschwinden. Er war etwas größer als ich. Ich konnte mit ziemlicher Sicherheit sagen, wäre er öfter hier gewesen, hätte ich ihn wahrscheinlich wiedererkannt, obwohl ich nur Reinigungskraft war und nicht Türsteher oder so. Mit seinen langen Haaren und den auffälligen Augen. „Und du bist Kaoru, oder? Meguru geht es gut...naja, den Umständen entsprechend gut, es könnte natürlich besser sein. Aber er ist nicht in Gefahr. Komm mit. Ich bringe dich zu ihm.“ Ich bedeutete ihm mit einer Handbewegung, dass er mir folgen sollte und ging voraus. Rang mir sogar vorher noch ein kleines Lächeln ab, obwohl ich es nicht so meinte. Am Telefon hatte Kaoru doch sehr unhöflich gewirkt, ich war nur für Meguru einigermaßen freundlich zu ihm. „Danke, dass du gekommen bist. Das wird ihn freuen.“ Ich war mir nicht sicher, wie gut Kaoru französisch verstand, er sprach es verständlich aber leicht gebrochen, deswegen versuchte ich, meine Sätze eher kurz zu halten.
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Anscheinend hatte auch Kyan nichts einzuwenden. Irgendwie kam ich mir momentan auch ein ganz kleines bisschen fehl am Platz vor. Nicht, weil ich glaubte, dass mich Meguru nicht hier haben wollte, aber es war einfach so, dass mein vampirischer Kollege gerade alles einfach viel besser im Griff hatte. Ich brachte mein Idol sogar fast wieder zum weinen... „Ich bring ihn sofort zu dir, wenn er hier ist.“, sagte ich sanft, aber ein wenig hilflos zu Meguru. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich schließlich nicht auf japanisch mit ihm reden können. Dafür beherrschte ich es einfach zu schlecht, was mich in dieser Situation besonders ärgerte. Ich lächelte ihm noch einmal kurz zu, und wandte mich dann an Kyan. „Tu das, aber lass mich rufen, falls irgendwas ist, ja?“, fügte ich an ihn gerichtet hinzu, fast so, als würde ich ihm was das anging nicht vertrauen. Megurus Handy nahm ich mit, als ich ging. Falls sich Kaoru noch einmal melden würde könnte ich ihm seine Fragen beantworten. Es war sowieso nicht so, als ob Meguru mit ihm ein Gespräch hätte führen können, wenn er anrufen sollte. Geschweige denn eine Nachricht schreiben. Ich platzierte mich so vor dem Club, dass ich Neuankömmlinge gut sehen konnte. Megurus Freund, Kumpel, oder was auch immer hatte schließlich keine Ahnung, wie ich aussah. Zum Glück hatte ich noch nie Probleme gehabt, Leute anzusprechen. Sollte ich jemanden sehen, von dem ich dachte, dass er es sein könnte, würde ich einfach auf mich aufmerksam machen. Nach kurzem Zögern nahm ich Megurus Handy wieder aus der Jackentasche. Natürlich nur, damit ich auch merkte, falls Kaoru nochmal anrufen würde, weil er sich verlaufen hatte oder ähnliches, versicherte ich mir selbst. Ich klickte mich durch ein paar Fotos, und rief nach kurzem Zögern schließlich Megurus eigene Handynummer auf, damit ich sie in meinem eigenen Handy einspeichern konnte. Eigentlich war das unnötig, weil ich sie eh nicht benutzen konnte. Auch später nicht, weil Meguru sich dann wundern würde, wie ich da ran gekommen war. Ich machte es trotzdem.
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Es dauerte nur wenige Sekunden, bis sich am andere Ende der Leitung jemand meldete. So schnell, dass ich kaum Gelegenheit hatte, mich noch einmal innerlich auf das Gespräch vorzubereiten. Ich meldete mich kurz mit meinem eigenen, falschen Namen und dem Namen des Clubs und einer kurzen Ortsangabe des Clubs. So richtig schien mein telefonisches Gegenüber allerdings nicht zu wissen, warum nicht Meguru ihn angerufen hatte. Schnell schob ich eine möglichst knappe Erklärung der abendlichen Ereignisse hinterher, bevor er noch einfach auflegen konnte, ohne mir überhaupt zuzuhören. Für einen Moment befürchtete ich, dass er Nein sagen würde, und dann müssten Kyan und Ich uns was einfallen lassen. Doch bevor ich mir darüber wirklich Gedanken gemacht hatte, oder überhaupt noch etwas anderes sagen konnte, hatte Kaoru schon zugestimmt, sich auf den Weg zu machen. Und dann direkt, ohne sich mit weiteren Höflichkeitsfloskeln aufzuhalten, aufgelegt. Arschloch, dachte ich, bevor ich mich zurückhalten konnte. Wahrscheinlich war er nur besorgt um Meguru...besonders sympathisch kam Kaoru mir trotzdem nicht vor.
Nachdem das Gespräch geendet hatte, ging ich wieder zurück zu den anderen Beiden, um ihnen diese frohe Botschaft mitzuteilen. Am liebsten hätte ich den Vampir gefragt, ob sie sich vielleicht mal wieder auf französisch unterhalten konnten, damit ich auch ein Wort verstehen konnte. Zum Glück hatte ich momentan meine Emotionen gut genug im Griff, um das zumindest nach außen hin zu unterdrücken. So eifersüchtig zu sein war echt beschissen. Einfach keine besonders gute Eigenschaft. Früher hatte ich manchmal versucht, daran zu arbeiten, doch es hatte nie sonderlich weit gebracht. Ich räusperte mich leicht, um die Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken. Schließlich war es wichtig. „Kaoru sagt, dass er so bald wie möglich hier sein wird. Keine Ahnung, wie schnell das sein wird, weil ich nicht weiß, wo er gerade ist. Allerdings denke ich, es wird nicht lange dauern.“ Sonst hätte er bestimmt gesagt, dass er eine ganze Weile für die Fahrt brauchen würde, oder nicht? Ich kannte diesen Typen überhaupt nicht, wer wusste, ob er überhaupt richtig zuverlässig war...sonderlich höflich war mir auf jeden Fall nicht vorgekommen. Möglicherweise lag das am Schock, dass Meguru etwas zugestoßen war, allerdings brauchte ich momentan jemanden, auf den ich wütend sein konnte, und da bot sich Kaoru so an. Ich hielt Megurus Handy immer noch in der Hand, und überlegte kurz, ob ich es ihm jetzt wiedergeben konnte. Er wirkte immer noch etwas neben der Spur und sehr mitgenommen. So behielt ich es erstmal in der Hand. „Soll ich draußen vor dem Club warten, bis Kaoru da ist oder so...? Damit er den Weg rein zu uns findet, meine ich."
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Kaoru also...diesen Namen hatte ich in Verbindung mit Meguru noch nie gehört. Okay, ich war vielleicht nicht die Art von Fan, die absolut alles über ihr Idol wussten und sie quasi stalkten, trotzdem störte es mich irgendwie. Wer war das, ein Verwandter, ein Freund? Oder sogar sein Freund? Jetzt war der falsche Zeitpunkt, um danach zu fragen, trotzdem hätte ich es gerne getan. Ich nahm das Handy von Meguru entgegen, und suchte in seinen Kontakten nach dem Namen, den er mir genannt hatte. Zum Glück war er ziemlich einfach zu finden. Ich nickte dem Jungen kurz zu, als Zeichen, dass ich wusste, wer gemeint war. Ich verstand zwar ein paar Worte japanisch, die üblichen Begrüßungsformeln, aber nicht genug, um zu verstehen, was Kyan da genau von sich gab. Bis jetzt hatte ich nicht einmal gewusst, dass der Vampir es überhaupt sprach. Weswegen ich im ersten Moment wohl etwas verblüfft wirkte. „Kein Problem. Ich geh kurz vor die Tür, aber ich bleibe ganz in der Nähe. Solltet ihr nach mir rufen, hör ich euch mit Sicherheit.“, meinte ich schließlich, weil ich es immer als sehr anstrengend empfand, in einem Raum mit anderen Leuten zu telefonieren. Ich ging allerdings nur auf den Flur, und zog auch die Tür nicht ganz hinter mir zu, sondern ließ sie einen Spalt weit auf. Wahrscheinlich würde Meguru trotzdem nur verstehen können, was ich zu Kaoru sagte, wenn er sich gut konzentrierte. Ich drückte auf die Anruftaste, und wartete, dass Jemand abnahm.
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Innerlich war ich irgendwie erleichtert, dass Kyan so viel mehr über das Thema zu wissen schien als ich. Obwohl er sich dieses 'Kleiner' Getue bezüglich Meguru echt schenken konnte, biss ich mir auf die Zunge und ließ ihn ausreden. Ketamin...natürlich war mir das Wort bekannt, doch es erweckte in meinem Gedächtnis nur wage Bilder, die wahrscheinlich aus irgendwelchen Serien oder Filmen stammten. Genauer hatte ich mich damit noch nie beschäft. Es spielte in meinem alltäglichen Leben keinerlei Rolle. Kyan allerdings anscheinend schon. Ich sah zu ihm, vielleicht ein wenig skeptisch. Am liebsten hätte ich ihn gefragt, ob er sich da auch ganz, ganz sicher war. Keine Ahnung, warum ich es dann doch nicht tat. Möglicherweise, weil der Vampir so sicher klang. Oder ich Meguru nicht zusätzlich verunsichern wollte. Vielleicht war ich auch einfach zu erleichtert, dass ich gerne glauben wollte, dass es mit ein wenig abwarten einfach getan war. „Wenn du mir dein Handy gibst, und sagst, wenn du anrufen möchtest, dann erledige ich das für dich. Oder sag mir die Nummer, und ich ruf von meinem Handy an.“, meinte ich, und hielt Meguru meine ausgestreckte Hand entgegen. Dass er es selbst schaffen würde, jemanden in seinen Kontakten anzurufen, und ihm während eines Gesprächs zu erklären, was passiert war hielt ich für etwas fragwürdig. Schließlich brachte er momentan kaum ein Wort heraus. Ich hoffte nur, dass er überhaupt jemanden kannte, den er oder ich so einfach anrufen konnten. Eben hatte Meguru meine Frage nicht konkret beantwortet. Nicht, dass ich mich sonst nicht auch um ihn gekümmert hätte, vielleicht sogar etwas zu gern, doch mir war klar, dass das wohl nicht gerade eine Idealsituation für ihn wäre. Meguru brauchte jetzt am besten Jemanden, den er gut kannte, und dem er vertraute. Das würde ihn vielleicht etwas beruhigen.
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Dass Meguru den Kopf schüttelte, und dabei noch so gequält klang beruhigte mich nicht gerade. Ob er damit meinte, dass es ihm gesundheitlich schlecht ging, und die Tablette eine Wirkung zeigte, oder ob es ihm verständlicherweise generell einfach beschissen ging aufgrund der ganzen Situation wusste ich nicht. Irgendwie bezweifelte ich, dass Meguru selbst mir darauf eine ganz genaue Antwort geben konnte. Verständlicherweise. Seine Hände zitterten, doch das konnte ebenso gut eine ganz normale Panikreaktion sein. Eigentlich hatte ich keine Ahnung, wie jemand normalerweise reagierte, der Betäubungsmittel zu sich genommen hatte. Oder wie lange es dauerte, bis in dem Fall irgendeine Wirkung eintrat. Gleichzeitig wollte ich Meguru nicht mit Schreckensszenarien noch mehr verängstigen, als er es eh schon war. Ich schluckte leicht. „ Wir kriegen das schon wieder hin.“, sagte ich dann und lächelte aufmunternd. Ich führte Meguru in einen der hinteren Räume für Angestellte, wo sich teilweise auch Stühle befanden, damit er sich setzen konnte. Es war zwar nicht die schönste Atmosphäre, aber immerhin besser als die ganze Zeit in einem überfüllten Raum von Fremden angestarrt zu werden. Ehrlich gesagt glaubte ich sowieso nicht, dass er sich noch viel länger auf den Beinen halten konnte. In diesem Moment wirkte Meguru so unglaublich zerbrechlich. „Setz dich erstmal, und atme tief durch.“ Natürlich hatte ich bereits gemerkt, dass Kyan draußen anscheinend fertig war, und uns folgte. Wie könnte ich auch nicht? Ich hatte seine Anwesenheit nur bis jetzt nicht irgendwie gewürdigt. Doch nun drehte ich mich zu meinem Kollegen um. „Denkst du, wir sollten besser einen Krankenwagen rufen?“
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Als Meguru sich so an mich drückte, gefiel mir das weit mehr, als es eigentlich sollte. Schließlich war er einfach nur super verstört, es war kein Kompliment oder dergleichen. Trotzdem schlug mein Herz bei der plötzlichen Berührung schneller. Ich schluckte leicht, und versuchte dann, mich stattdessen auf seine Antwort auf meine Frage zu konzentrieren. Anscheinend war Meguru einverstanden, obwohl er momentan zu verstört war, um ein klares Wort herauszubringen. „Dann komm mit. Mach dir keine Sorge, ich organisiere schon irgendwas, wenn dich niemand abholen kann.“, sagte ich ruhig. Notfalls brachte ich ihn eben nachhause. Oder vielleicht besser in ein Krankenhaus? Mir wurde bewusst, dass ich nicht mal genau wusste, ob Meguru etwas von was-auch-immer dieser Kerl ihm in den Drink getan hatte zu sich genommen hatte, oder ob ich ihm das Glas noch rechtzeitig aus der Hand hatte schlagen können. Damit Meguru nicht befürchten musste, mich aus den Augen zu verlieren, nahm ich vorsichtig und etwas zögerlich meine Hand in seine. Aus den Augenwinkeln nahm ich zwar noch war, dass Kyan den Typen, der ihn unter Drogen hatte setzen wollen aus dem Club heraus bugsierte, doch trotzdem war es wohl es das beste, wenn wir nach hinten gingen. Einfach wegen der starrenden Leute. Manche von ihnen hatte wohl noch nie etwas von Anstand gehört. „Wie fühlst du dich? Irgendwie...benommen, oder ist alles in Ordnung?“, fragte ich Meguru, und zog ihn fast ein wenig mit, damit wir gehen konnte, bevor jemand auf die dumme Idee kam ein Handy zu zücken und alles mit zufilmen oder ähnliches. „Nick einfach, wenn du dich nicht irgendwie krank oder abnormal müde fühlst, das reicht.“ Innerlich hoffte ich, dass Kyan es dem Penner, der Meguru etwas hatte antun wollen draußen richtig zeigte. Ich hätte das garantiert getan, wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre.
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Viel Erfolg bei deiner Prüfung!:D
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Meine Bedenken, dass Kyan mir nicht glauben würde, waren zum Glück unbegründet. Wahrscheinlich erkannte der Vampir inzwischen, welchen Männern man nicht trauen konnte. Ich konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen, als er den Kopf des Typen gegen die Bar schlug. Allerdings hieß das nicht, dass sich mein Bild von Kyan sonderlich änderte. Ich wandte mich wieder ganz Meguru zu, weil der Türsteher die Situation schon ganz gut im Griff hatte, ohne, dass ich mich einmischte. Am liebsten hätte ich meinem Idol gesagt, dass der Vampir nicht so nett war, wie er jetzt gerade ihm gegenüber tat. Eigentlich war er ein ziemliches Arschloch, auch wenn er sich momentan anders gab. Damit konnte er mich sicherlich nicht im geringsten täuschen. Mal ehrlich, Meguru 'Kleiner' zu nennen, das überschritt eindeutig eine Grenze. Allerdings entschloss ich mich dann doch, es lieber sein zu lassen. Zumindest jetzt gerade. Meguru wirkte schon fertig genug, er hätte wohl wenig Vergnügen daran, wenn ich mich in diesem Moment bei ihm über Kyan auskotzte, zu mal das auch nicht gerade besonders praktisch war, wenn dieser noch daneben stand. Obwohl der Vampir gerade anderweitig beschäftigt war. Möglicherweise war ich nicht ganz unschuldig daran, dass Meguru den Tränen nah war. Ich hatte ihm das Glas aus der Hand geschlagen, und außerdem wenig dazu beigetragen, dass die Situation weniger bedrohlich schien, als sie war. Ich biss mir leicht auf die Unterlippe und zwang mich dann zu einem beruhigenden Lächeln. „Entschuldige, ich wollte dir keine Angst machen. Ist nur so, dass ich wütend war...“, sagte ich, und überlegte kurz, ob ich ihn irgendwie beruhigend umarmen oder ihm wie Kyan die Hand auf die Schulter legen sollte, doch dann ließ ich es lieber sein. Wahrscheinlich war das gerade das letzte, was Meguru wollte. Inzwischen sah wohl der ganze Club zu uns herüber. Ich senkte meine Stimme leicht. „Willst du vielleicht nach hinten gehen, hier ist es so laut. Und Jemanden anrufen, der dich abholt? Oder ich kann auch anrufen, wenn du dich momentan nicht dazu in der Lage fühlst...“
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