Gerade, als ich hatte an die Badezimmertür treten und nachfragen wollen, ob alles in Ordnung war, öffnete sich die Tür und Meguru trat mir entgegen. Er wirkte... anders, mitgenommen, aber doch schön, wie wohl in absolut jeder Lebenslage. Aber seine Augen waren wohl das, was mich am meisten erschütterten, bisher hatte ich ihn immer nur mit farbigen Kontaktlinsen gesehen, aber gerade offenbarten sie ihre typisch japanische Farbe... dunkelbraun. Wenn nicht der leere Blick in ihnen gewesen wäre, so hätte ich wohl in diesem Moment mit Fug und Recht behaupten können, dass sie die schönsten Augen waren, die ich jemals gesehen hatte. Ich war selten ein Freund von viel Körperkontakt, aber trotzdem verspürte ich das Bedürfnis ihn in die Arme zu nehmen. Meguru..., sprach ich ihn direkt an, als ich das Lächeln auf seinen Lippen sah und trat ihm dann vorsichtig ein paar Schritte entgegen, bevor ich kurz mit meinen nächsten Worten zögerte, aber dann beschloss, sie doch auszusprechen, ...du musst nicht lächeln, wenn du dich nicht danach fühlst.

Ich zuckte leicht zusammen, als ich mit einem Mal direkt vor Kaoru stand, ich hatte ihn nicht direkt vor der Badezimmertüre erwartet. Ich hatte große Mühe weiter zu lächeln, als ich zu dem anderen Japaner hochsah, besonders, als er zu sprechen begann. Meine Augen brannten wieder und meine Lippen zitterten, doch ich bemühte mich sehr mich zusammen zu reißen. Es alles okay, wirklich. Ist ja nichts passiert. Mir gehts gut. Dem war zwar absolut nicht so, aber ich hasste es anderen zu zeigen, dass ich mich schlecht fühlte, auch wenn es mir sehr schwer fiel, ich fühlte meine Emotionen sehr stark und gerade trat das Bedürfnis deshalb zu heulen förmlich mit Stiefeln auf mich ein.

Meguru, ich-, begann ich und unterbrach mich dann, während mein Gehirn auf Höchstleistungen arbeitete. Ich sprach selten über mich, noch weniger über schlechte Geschehnisse aus der Vergangenheit, auch wenn ich wusste, dass Kojiro davon wusste, selbst oder vielleicht gerade deswegen sprach ich nicht mit ihm darüber. Aber ich atmete fest durch und entschloss dann, zumindest einen Schritt weiter zu tun, als ich es sonst jemals getan hätte. Ich bin auch schon in solchen Situationen gewesen. Ich weiß, wie sich so etwas anfühlt. Ich öffnete meine Arme leicht, als stumme Einladung, die ich einfach nicht aussprechen konnte. Es ist nicht nichts geschehen. Es war hart, aber Meguru würde sich damit auseinandersetzen müssen, wenn er darüber hinwegkommen wollte. Ich wusste selber leider zu gut, wie einen die Schatten eines solchen Erlebnis verfolgen konnten.

Ich sah wie Kaoru seine Arme einladend öffnete und hörte seine Worte die von Verständnis sprachen, was mir, so furchtbar es auch war, dass der größere Mann das ganze so genau nachvollziehen konnte, das Gefühl gab nicht so alleine damit zu sein. Ich zögerte nur einen kleinen Moment, Tränen füllten meine Augen, dann warf ich mich förmlich in Kaorus ausgebreitete Arme und hielt mich schutzsuchend an ihm fest. Jetzt wo ich wieder seine nähe und wärme spürte, die mir ein Gefühl von Sicherheit schenkten, konnte ich die Tränen nicht mehr zurück halten und schluchzte auf. E-es tut mir leid. Ich war mir in dem Moment nicht einmal ganz sicher wofür ich mich entschuldigte. Dafür Kaoru zu so später Stunde gerufen zu haben? Dafür, dass ich dumm genug gewesen war mich in eine solche Situation zu bringen? Dafür, dass ich ihn vollheulte? Vielleicht einfach gleich für alles zusammen.

Wenn ich Meguru so ansah, dann hatte das vermutlich denselben Effekt, den es auch hatte, wenn ein Mädchen vor mir weinte. Nicht, dass Emotionen von Männern weniger wert waren, aber dieses sanfte Verzweifeltsein, diese völlig offene Art mit seinen Gefühlen umzugehen und auch einfach sein weiches, zartes Aussehen waren schon genug Auslöser für mich, um sofort meine Arme eng um ihn zu schließen und ihn an mich zu drücken. Es störte mich keineswegs, dass nun mein Ersatz-Kimono nass wurde, denn was mich viel mehr störte, war dieses verzweifelte Schluchzen, was direkt in meine Brust einzudringen schien. Es gibt keinen Grund sich zu entschuldigen., beharrte ich in einem sanften, etwas tieferen Tonfall, Ich bin hier. Ich bin für dich da. Und ich würde verdammt sein, wenn ich zulassen würde, dass Meguru so etwas noch einmal passieren würde. Meine Augen leuchteten verheißungsvoll rot auf, während ich meine Arme nach oben zwischen seine Schulterblätter schob, um ihn noch näher an mich drücken zu können.

Es war das erste Mal seit langem, dass ich mal wieder vor jemandem weinte, selbst Wako hatte das in all unseren Jahren zusammen vielleicht eine handvoll von Malen erlebt. Ich mochte es einfach nicht mich anderen so zu zeigen, ich fühlte mich schwach und wie nichts als eine Last für andere. Ganz abgesehen natürlich auch davon, dass mein Aussehen darunter litt und das nun einmal eines meiner größten Kapitale im Leben. I-ich war so... so dumm! Die Enttäuschung über mich selbst war deutlich in meinem hervorgestoßenen Worten zu hören, ebenso wie der Selbsthass, den ich empfand. Ich hatte das Gefühl ich durfte Kaoru gar nicht erst anfassen, ich würde ihn irgendwie dreckig machen, aber ich konnte mich nicht dazu überwinden ihn los zu lassen und mich aus der Sicherheit seiner Unarmung zu entfernen.

Sanft schüttelte ich den Kopf, denn leider half es oft nicht, egal ob man nun intelligent war oder dumm, in eine solche Situation zu geraten und das hatte ich selber wohl am besten auf eigener Haut erfahren. Meine Augen leuchteten immer dimmer und dimmer rötlich, während ich Meguru einfach nur als Stütze zur Verfügung stand, eine Hand ließ ich sanft nach oben in seinen Nacken wandern, wo ich mit zwei Fingern sachte und doch mit leichtem Druck, diesen massierte. Zweifellos fühlte er noch die Nachwirkungen von dem, was auch immer dieser Fremde Meguru gegeben hatte, aber aktuell wirkte er einfach mehr emotional als körperlich erschüttert. Die Nachwirkungen würde er wohl hauptsächlich morgen wie ein extrem unangenehmes Hangover spüren. Möchtest du darüber sprechen, was genau passiert ist?

Ich war froh darüber mein Gesicht ab Kaorus Brust verbergen zu können, sie war breit und warm, und so sah der andere Japaner nicht wie hässlich ich aussah, wenn ich weinte. Schlimm genug würden wieder die Nachwirkungen sein, geschwollene und rote Augen waren eben wirklich alles andere als attraktiv, selbst wenn mich das bei anderen eigentlich nie störte, Wako hatte ich auch immer schön gefunden, selbst wenn sie verheult gewesen war, abgesehen davon, dass es darum ja auch nicht ging, es ging nur darum die andere Person zu trösten und dazu zu sorgen, dass sie sich wieder etwas besser fühlte. Es dauerte eine ganze Weile bis ich mich wieder genug beruhigt hatte um Kaorus Worte auch nur zu verstehen, ehe ich über sie nachdenken musste. O-okay. Ich schniefte, doch hob den Kopf nicht, ich wollte von Kaoru nicht so gesehen worden.

Wir haben die Zeit., versicherte ich Meguru, während ich weiterhin seinen Nacken sanft massierte, sachte, um nicht zu fest zu drücken, egal, was manch anderer so behauptet hätte, hatte ich nämlich eine nicht unwesentliche körperliche Kraft, die ich allerdings gerade hauptsächlich und gerne nutzte, um Meguru sicher und an mich gestützt zu halten.

Ich nickte leicht und versuchte mich von Kaorus Zuwendungen beruhigen zu lassen, das leichte massieren meines Nackens war durchaus entspannend und ich lehnte mich nich etwas mehr an seine schmale aber doch so standhafte Gestalt. Ich wollte... ausgehen. Um mehr Leute kennen zu lernen, glaube ich. Ich hatte einen Flyer von der Siréne, also bin ich dahin gegangen. Da war ich doch noch so fröhlich gewesen, voller Freude darauf neue Bekanntschaften zu schließen. Der Türsteher, Kyan, der große, dunkle, wollte zuerst gar nicht glauben, dass ich schon alt genug für so einen Club bin. Fast war mein Tonfall, als ich davon erzählte, ein bisschen heiter, doch es hielt nicht lange an, es war bereits wieder verschwunden, als ich weiter redete. Meine Stimme war leise, sehr gedämpft von Kaorus Brust, aber ich weigerte mich weiterhin den Kopf zu heben. Dann bin uch jedenfalls an die Bar und da hat mich dann Gabriell angesprochen, als ich mir gerade einen Cocktail bestellt hatte. Er war super nett, er ist ein großer Fan von mir. Aber dann... Nun geriet ich endgültig ins stocken und kam nicht umhin wieder zu schniefen, als mir erneut die Tränen in die Augen stiegen, als ich mich so direkt an diesen Moment erinnerte. Dann hat er mir plötzlich das Glas aus der Hand geschlagen, aus dem ich eben getrunken hatte und hat den Typen hinter mir angeschrien. Der Schock saß mir immer noch tief in den Knochen und ich begann zu zittern, plötzlich war mir ganz kalt, obwohl ich so heiß geduscht hatte und obwohl Kaoru doch so warm war. Gabriel meinte der Typ hätte mir was ins Glas getan und sie wären sich fast an die Gurgel gegangen, aber Kyan ist dazwischen gegangen und Gabriel hat mich mit nach hinten genommen. Das war es im großen und ganzen gewesen, der ganze furchtbare Abend, zusammengefasst in einer Hand voll Sätze. Siehst du? Alles nicht so schlimm. Wenn ich mich nur zusammenreißen könnte...

Nichts davon war dumm, Meguru, du wolltest einfach nur Spaß haben. Und das solltest du auch tun können, ohne Angst vor jemandem wie diesem Kusoyarô haben zu müssen., sprach ich mit sicherer Stimme, nachdem ich keine meiner Zuwendungen aufgehört hatte, sondern einfach nur geduldig zugehört hatte. Mein Beschützerinstinkt war angesprochen, mehr als ich es jemals zugeben würde, denn ich musste mich zusammenreißen, nicht sofort jetzt loszuziehen und am Ende noch etwas unüberlegtes zu tun, denn Meguru brauchte mich. Wären wir bei "S", hätte ich das sofort und nicht später geklärt. Ich bin froh, dass du nicht alleine warst., sagte ich stattdessen und fragte dann besorgt, Hat er dich angefasst? Ich sah zu Meguru hinab, während meine Augen wieder leicht rötlich leuchteten, und ich ihm sanft meine Hand unters Kinn legte, ohne Druck auf ihn auszuüben, mich anzusehen, mehr als Einladung, genau das zu tun. Â iu hito, shinda hô ga ii., murmelte ich leise in mich hinein, aber gleichzeitig jedes Wort ernsthaft meinend, was man auch an meinem Tonfall hörte, denn er war leise, gefasst wie immer, aber auch absolut ernst.

("Kusoyarô" [JPN] = "Scheißkerl", "Â iu hito, shinda hô ga ii" [JPN] = "Es wäre besser wenn solche Leute sterben würden" (Sprichwort))

Ich war erleichtert Kaoru diese Worte aussprechen zu hören, denn auch wenn sie nicht ganz durch meinen Selbsthass durchschnitten, so tat es trotzdem gut zugesichert zu bekommen, dass ich nicht einfach nur dumm gewesen war. Ich wollte mich gerne dagegen wehren, dass Kaoru mein Gesicht anhob, ich wollte nicht, dass er mich sah wenn ich weinte, doch der andere Mann war weitaus stärker und auch wenn er mich nicht zwang hatte ich am Ende auch nicht die Kraft mich aktiv zu wehren und so sah ich mit unglücklichem, tränennassen und geröteten Gesicht zu Kaoru hoch und schniefte. Nein, Gabriel war ja da. Wenn er es nicht gewesen wäre... Ich konnte den Satz nicht beenden und ich zitterte noch stärker, während ich mich noch fester an Kaoru klammerte. Bei seinen letzten Worten weiteten sich meine feuchten, geröteten Augen aber doch sehr. Sterben?

Große Erleichterung machte sich in mir breit, als ich Meguru's Gesicht wieder sehen konnte, auch wenn er weinte und sich all seine Emotionen auf seinem Gesicht spiegelten, so war er doch wunderschön und ich musterte sein Gesicht überprüfend, um zu sehen, ob er am Ende irgendwelche Schmerzen empfand. Dann ist es umso besser, dass er da war. Es mochte eines der heftigeren japanischen Sprichworte, eher beinahe eher ein Fluch, sein, aber ich hatte die Worte wohl doch etwas ernster gemeint, als ich sie geplant hatte durchsickern zu lassen. Ich sah zu Meguru hinab und legte meine Hand nun von seinem Kinn ganz sachte auf seine Wange, auch um ihn nicht weiter zu zwingen mich anzusehen, wenn er das nicht wollte. Seine geweiteten, verletzlichen Augen sahen direkt geweitet in meine rot leuchtenden, wütenden Augen, mit denen ich ihn fixierte. Ich werde nicht zulassen, dass so etwas noch einmal passiert.

Ich nickte mit einem leisen Schniefen und schmiegte mich dann ohne viel darüber nachzudenken in Kaorus warme, große Hand, die nun meine Wange hielt. Ich versteckte mein furchtbares Gesicht förmlich darin und sah nur durch meine zusammengeklumpten, dichten Wimpern zu ihm hoch. Meinst du das ernst? Ich konnte die Überraschung nicht aus meiner Stimme raus halten. Kaoru und ich kannten uns noch nicht lange, dass er gekommen war um mich abzuholen, mitten in der Nacht, war schon ein unerwartetes Wunder für mich gewesen.

Es fiel mir immer schwer solche Dinge auch wirklich auszusprechen, aber ich hatte hier ein ähnliches Gefühl wie damals auch, als ich die jungen Skater gesehen hatte. Natürlich war es bei Meguru eine etwas andere Sache, aber ihn in diesem verletzlichen Zustand zu sehen, tat Dinge mit mir, die ich kaum beschreiben konnte. Ich erwiderte also standhaft seinen Blick. Ich meine das völlig ernst., schaffte ich es schließlich zu sagen, Du hast mich um Hilfe gebeten und ich bin gekommen. Ich würde es jederzeit wieder tun. Wie ich ihn auch vor dem Regen beschützt hatte, so würde mich auch kein Gewitter aufhalten, es hier wieder zu tun, genauso wenig ein Club.