Im Zimmer angekommen entwich mir ein tiefer Seufzer. Ich war ausgelaugter als ich zuerst gedacht hatte. Ich ging ins Bad, um mich ein wenig frisch zu machen. Nachdem ich mir etwas Wasser ins Gesicht geworfen und mir die Haare gekämmt hatte, betrachtete ich auf den Waschbeckenrand gestützt mein Spiegelbild. Ich sah älter aus. Und müde. Die Ringe unter meinen Augen schienen unaufhörlich dunkler zu werden. Ich brauche einfach nur ein wenig Schlaf. Als ich mich jedoch wieder aufrichtete, wurde ich von starkem Schwindel erfasst. Und ich bemerkte, dass meine rechte Hand zitterte. Und ein wenig Blut wäre vielleicht auch nicht schlecht.
Ich hatte noch einen kleinen Vorrat im Zimmer, auf den ich auch direkt zusteuerte und den Inhalt des Blutbeutels in ein Weinglas entleerte. Ich erschrak selbst davon, wie gierig ich die rote Flüssigkeit trank. Das zweite Glas war ebenso schnell entleert wie das erste. Panik stieg in mir auf. Nein, das kann nicht sein... Meine Hand zitterte immer noch und ich versuchte, meinen inneren Aufruhr zu unterdrücken. Das Gesicht in die Hände gestützt ließ ich mich auf die Bettkante fallen und versuchte, meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen.

Zwischendrin hatte ich Sheeta aus den Augen verloren und mich vollkommen verlaufen, aber schließlich fand ich unser Zimmer. Gleich vor der Tür konnte ich leicht Blut riechen. Leise trat ich ein und sah, wie Sheeta auf dem Bett saß, ein Weinglas war in der Nähe, in dem mal Blut gewesen war und auch leere Blutbeutel waren zu sehen. Leicht schluckte ich und sah dann wieder zu ihr. Sie wirkte fertig und ich sah, wie ihre Hand zitterte. Dass es ihr nicht gut ging, war gleich zu sehen. Es stand ihr beinahe ins Gesicht geschrieben. Meine Sorge stieg immer weiter an. Komm schon Ana. Setz dich zu ihr. Nimm ihre Hand und sei für sie da. Aber ist es richtig? Machs doch einfach... Innerlich haderte ich kurz mit mir. Immer war die Angst da, etwas falsch zu machen, dass sie mich irgendwann nicht mehr mögen würde oder so. Aber nun war nicht die Zeit für sowas, Sheeta war wichtiger, zu tausend Prozent.
Nun setzte ich mich in Bewegung und griff schweigend nach ihrer zitternden Hand, die ich dann drückte und setzte mich leise neben sie. Zwar hatte ich keine Ahnung, was genau sie gerade so aufwühlte, dennoch wollte ich ihr das Gefühl geben, da zu sein. Und man musste ja nicht immer jemanden zutexten, oder. Besorgt sah ich sie an, drückte weiterhin leicht ihre Hand und strich ihr beruhigend über den Handrücken. Wenn ich dir nur helfen oder ein Teil deiner Last nehmen könnte...

Ich war so in mich gekehrt, dass ich nicht mal bemerkte, wie Ana das Zimmer betrat. Als sie dann meine noch immer zitternde Hand in ihre nahm, zuckte ich erschrocken zusammen. Meine Panik stieg weiter an, da ich nicht wollte, dass mich jemand so sieht. "Ana...", fing ich an, doch meine Stimme brach. Da sie meine Hand weiter hielt und leicht drückte, konnte ich sie ihr nicht entziehen um sie zu verstecken. Stattdessen nahm ich meine andere Hand und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Ich versuchte, meinen inneren Aufruhr zum Schweigen zu bringen und meinen Körper wieder in den Griff zu bekommen, aber es funktionierte einfach nicht. Die Anstrengung musste mir ins Gesicht geschrieben stehen. Dennoch versuchte ich mich an einem Lächeln. "Ich hab dich gar nicht reinkommen gehört...", setzte ich dann meinen Satz von vorher fort.

Die Anstrengung war deutlich zu sehen und es tat mir weh, als sie mich ansprach, aber ihre Stimme brach. Irgendwie musste ich ihr helfen. Im ersten Moment wusste ich gar nicht, was ich sagen sollte, als sie meinte, sie habe mich gar nicht rein kommen hören. Daher nahm ich das mit einem Nicken zur Kenntnis. "Du wolltest zwar deine Ruhe, aber ich hab mir Sorgen gemacht und wollte nach dir sehen", meinte ich leise. Sie versuchte, zu lächeln, doch so wirklich überzeugend war es nicht. Ich behielt alles, was ich machte, so bei und sah sie weiterhin besorgt an. Was sollte ich nur machen? "Was auch immer gerade los ist, ich bin da, okay? Und das wird auch so bleiben", versuchte ich dann, irgendwie etwas in Worte gefasst zu kriegen, "und wie gesagt, falls du reden möchtest, eine Schulter brauchst, egal was. Ich helfe dir, wo ich kann." Dabei konntest du dir bisweilen nicht einmal selbst helfen... egal. Irgendwas muss ich doch für sie tun können.

Ich hielt beinahe schon verzweifelt an meinem Lächeln fest, weil ich für sie, wenigstens für sie, keine Schwäche zeigen wollte. Nach ihren Worten bröckelte meine Fassade jedoch mehr und mehr und ich konnte nichts mehr gegen die Tränen die tun, die mittlerweile über mein Gesicht liefen. Das Gefühl, dass jemand für mich da war und mir meine Lasten abnehmen wollte, war immer noch neu und unbekannt für mich. Normalerweise war ich immer diejenige, die die Stütze für die anderen war. Und trotzdem ich wusste, dass sie für mich da sein wollte und mich nicht verurteilen würde, fiel es mir schwer, ihr diese Sache anzuvertrauen. Ich hatte noch nie mit jemandem darüber gesprochen. "Ich...ich...", setzte ich an, aber ich bekam die Worte nicht heraus. Ich schämte mich so sehr dafür, obwohl ich wusste, dass es eigentlich nichts war, wofür ich mich schämen musste. "Ich....habe ein....P-Problem...", brachte ich schließlich heraus. Ich hatte das Gefühl, ich würde an den Worten ersticken. Meine Hand zitterte heftiger.

Es wurde immer deutlicher, dass sie keine Schwäche zeigen wollte und stark sein wollte. Dennoch wollte ich zeigen, dass es okay war, auch mach schwach zu sein. So gesehen war ich in der Hinsicht nie wirklich stark. Als ihr dann auf einmal Tränen über die Wangen liefen, legte ich meinen Arm mit der freien Hand einfach um sie und drückte mich an sie. Es war deutlich, dass es ihr schwer fiel, über ihr Problem zu sprechen, dennoch würde ich sie erstmal ausreden lassen und ihr dann sagen, dass es okay war, Probleme zu haben. Die ganze Zeit war sie stark gewesen und hatte bei meinen Problemen geholfen, ohne dass ich bemerkt hatte, dass auch sie selbst vielleicht Schwierigkeiten hatte. Und trotz der Tatsache würde sie für mich immer die Gleiche bleiben. Langsam nickte ich. Dabei drängte ich sie zu nichts und ließ ihr einfach die Zeit, die sie brauchte. Dabei entging mir nicht, wie ihre Hand heftiger zitterte.

Ihre Umarmung fühlte sich so gut an. Am liebsten wäre ich einfach für immer so geblieben. Aber das ging nicht. Nicht, bis ich es endlich geschafft hatte, mich ihr zu offenbaren. Ich merkte auch, dass sie mir Zeit gab, um die richtigen Worte zu finden. Das fiel mir nach wie vor schwer. In meinem Hals bildete sich ein Kloß, der es mir schwer machte, zu atmen. Gleichzeitig vernebelte mir ihr Duft die Sinne. Sie war mir so nah... Ich löste mich vorsichtig wieder von ihr und legte meine freie Hand auf ihre, die nach wie vor meine zitternde Hand festhielt. "Ich...ich weiß nicht warum, aber....manchmal, da bekomme ich diese....Anfälle...", wagte ich einen Versuch, mich ihr zu erklären. Meine Stimme war immer noch rau und die Tränen liefen mir weiter ununterbrochen übers Gesicht. "Gott, ich bin so erbärmlich..." Ich schniefte. "Irgendwann....habe ich einen Punkt erreicht...und dann, dann reichen mir...die Blutbeutel nicht mehr und...." Ich kämpfte mit mir selbst um die letzten Worte heraus zu bringen. "...und dann...brauche ich...brauche ich...f-frisches Blut und...ich kann mich nicht beherrschen und..." Mehr als diese vage Andeutung schaffte ich nicht mehr. Erst jetzt wagte ich, ihr wieder in die Augen zu sehen. Ich konnte förmlich spüren, wie das blau meiner Augen langsam immer rötlicher wurde.

Sie löste sich wieder von mir und legte ihre freie Hand auf meine. Aufmerksam sah ich sie an. Dabei war keinerlei Abscheu in meinen Augen zu finden. Ich merkte, dass es ihr nach wie vor schwer fiel und was sie mir schließlich offenbarte, war schon ein Brocken, aber ich sah keinen Grund, sie deswegen zu hassen. Leicht schluckte ich auf das Ende ihrer Andeutung hin. Mein Verstand begann zu arbeiten. Sie braucht frisches Blut, aber kann sich nicht beherrschen? Das würde den Tod für den anderen bedeuten. Und wenn der andere vielleicht... ob es ihr helfen würde, wenn sie was von meinem Blut bekommt? Dabei entging mir nicht, wie ihre blauen Augen langsam rötlich wurden.
Zwar musste ich selbst mein Mut zusammen nehmen, um das Angebot zu machen, aber das war jetzt das Einzige, was ich tun konnte, um ihr zu helfen. "Sheeta, ich... danke dir, dass du mir das anvertraut hast. Und du bist nicht erbärmlich, du bist wundervoll. Ich bin froh, dass ich jetzt auch endlich mal für dich da sein kann", gab ich zurück. Noch einmal atmete ich tief durch, ehe ich dann zum eigentlichen Punkt kam: "Wenn du frisches Blut brauchst, dann... dann nimm mein Blut. Es sollte doch eigentlich kein Problem sein, wenn ich in der Zeit selbst genügend Blut zu mir nehme, oder?" Ernst sah ich sie an.

Meine Augen wurden größer und zugleich übernahm das Rot in ihnen überhand. Meine zitternde Hand in ihrer verkrampfte sich ein wenig. "Ich...ich denke schon....Ich habe noch nie das Blut eines anderen Vampirs getrunken...", gab ich langsam zurück. Gleichzeitig wanderten meine Augen immer wieder zu ihrem Hals und auf einmal wurde mir ihre Nähe und der Duft ihres Blutes unter ihrer Haut beinahe schon schmerzhaft gegenwärtig. Nur schwerlich konnte ich meinen Blick wieder auf ihr Gesicht wenden. "Aber...bist du dir sicher?", fragte ich sie dann, was mich mehr Mühe kostete als ich zugeben wollte. Mein Blick heftete sich wieder an ihrer pulsierenden Halsschlagader unter ihrer Haut fest.

Leicht kratzte ich mich mit der freien Hand am Kopf. Es war deutlich zu sehen, wie das Rot immer mehr in ihren Augen zu nahm. "Ich auch nicht. Davon abgesehen habe ich keine Ahnung, wie es sich anfühlt, sein Blut zu teilen", gab ich ehrlich zu und lachte etwas nervös auf. Allerdings war ich nicht nervös, weil ich Sheeta nicht vertraute, nein, es war eher wegen dem Umstand, dass ich keine Ahnung hatte, was nun vor mir lag. Ihre Frage holte mich wieder aus meinen Gedanken und ich riss mich zusammen. "Ich war mir noch nie so sicher wie jetzt. Dir würde ich ohne Umschweife alles anvertrauen, was ich besitze, auch mein Blut. Also ja. Absolut sicher", gab ich ernst zurück. Dabei sah ich, wie ihr Blick wieder an meinem Hals hängen blieb.

Ihre Worte registrierte ich nur noch bedingt. Meine gesamte Aufmerksamkeit galt nur noch dem rhythmischen Schlag ihres Herzens und dem verlockenden Geruch ihres Blutes. Ich war so fokussiert, dass sogar das Zittern meiner Hand aufhörte. Quälend langsam beugte ich mich zu ihrem Hals hinab und sog ihren Duft noch tiefer ein. Ich hatte noch genug Kontrolle über mich, um nicht wie ein Tier über sie herzufallen. Mein eigenes Herz beschleunigte seinen Takt in Erwartung dessen, was gleich folgen würde. Ich beugte mich ganz dicht über sie und drückte als erstes einen federleichten Kuss auf die Stelle, an der mir ihre Halsschlagader förmlich entgegen zu springen schien. Dann fuhr ich ein Mal mit der Zunge über die gleiche Stelle, ehe ich zubiss. Vom ersten Tropfen ihres Blutes, das meinen Hals hinunterlief, explodierten Geschmack und Gefühle in mir. Noch nie hatte ich etwas derartiges geschmeckt und empfunden. Ich legte meine Arme um sie, Teils, um sie zu stützen und teilweise, um sie näher an mich zu drücken und mich an ihr festzuklammern. Sie schmeckte so gut. Ich seufzte an ihrem Hals, doch ließ nicht von ihr ab. Es fühlte sich so gut an.

Immer wieder atmete ich tief durch. Nun würde ich wirklich komplett auf persönliches Neuland stoßen. Aber das war egal. Ich hatte mich für das hier entschieden, weil Sheeta es brauchte, um für sie da zu sein. Außerdem würde das bestimmt nicht so schlimm werden. Ich wusste, dass ich ihr vertrauen konnte.
Eine Gänsehaut überzog meinen Körper, als sie einen leichten Kuss an die Position meiner Halsschlagader drückte und einmal darüber leckte. Ein leises Zischen kam von mir, als sie zubiss, im ersten Moment tat es schon ein bisschen weh. Und es fühlte sich irgendwie ein wenig merkwürdig an.
Erst als ich merkte, dass ich ein wenig schwächer wurde, während sie mich näher an sich drückte und sich an mich klammerte. Langsam beugte ich mich nun doch etwas vor, um ihren Hals zu erreichen. Als ich nun meinerseits zubiss, war es fast wie eine Explosion. Noch nie hatte ich etwas derartiges gefühlt. Es war wie ein Strudel, fast wie ein Rausch. Ihr Blut schmeckte besser als jegliches Blut das ich bisher gehabt hatte.

Ich war völlig in meinem Rausch verloren. Meine Welt hatte sich auf Ana und trinken und Blut reduziert. Mein Körper lief nur noch auf Adrenalin und Instinkt. Mein Gehirn hatte sich schon vor einer ganzen Weile fast vollständig verabschiedet. Plötzlich spürte ich einen Schmerz an meinem Hals, und durch den Nebel in meinem Kopf nahm ich nur vage wahr, dass Ana nun ihrerseits von mir trank. Mir entfuhr ein Stöhnen an ihrem Hals, als sich der Schmerz plötzlich gut anfühlte. Ich spürte, wie mein Blut in sie floss und das ihre in mich. Es war ein perfekter Kreislauf und ich hätte für immer so verharren können. Irgendwann, ich konnte nicht sagen, wie lange ich so von ihr getrunken war, registrierte ich, dass meine Gier befriedigt war. Ich zog vorsichtig meine Zähne aus ihrem Hals und leckte einige Male über die Wunde, um jeden kostbaren Tropfen ihres Blutes in mich aufzunehmen. Unwillig, mich von ihr zu lösen, verharrte ich in meiner derzeitigen Position und genoss das Gefühl, wie sie mein Blut saugte. "Mmmhhmmm...das ist gut...", nuschelte ich in ihre Halsbeuge.

Es war einerseits ungewöhnlich, da ich noch nie so empfunden hatte und ich nicht erwartet hatte, dass es sich so gut anfühlen würde, mit jemandem das Blut zu teilen. Es war... fast pure Lust.
Ein Ziepen verriet mir, dass sie von mir abließ. Als sie dann einige Male über die Wunde leckte, erschauderte ich angetan. Nich Ein paar Sekunden behielt ich es bei. Am Liebsten hätte ich eweig so weiter gemacht, allerdings war das nicht richtig. Langsam löste ich meine Zähne aus ihrem Hals. Ebenso wie sie und um die letzten Tropfen ihres Blutes mitzunehmen, leckte ich ein paar Mal über die Bisswunde, ehe ich von ihrem Hals abließ und atemlos den Blick hob.
"Das war... Unglaublich...", brachte ich atemlos hervor, "Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gefühlt."

Ich lehnte mich zurück an ihren Hals und drückte einen weiteren Kuss an die Stelle, an der ich sie gebissen hatte. "Ich auch nicht...", stimmte ich ihr zu und fühlte mich dabei mehr als nur ein wenig beschwipst von Endorphinen und, wie ich jetzt deutlich feststellen musste, von Lust. Lust auf mehr. Ich küsste eine Spur von ihrem Hals hoch zu ihrem Mund und fing letzteren dann in einem leidenschaftlichen Kuss ein. Ich erneuerte unsere Umarmung, aber dieses Mal machte ich deutlich, dass ich noch etwas anderes wollte als sie nur zu halten.