< Ayumis Zimmer

Eigentlich wollte ich mich am Liebsten unter meiner Decke verstecken, aber ich beschloss mich nicht meinem Selbstmitleid hinzu geben. Wobei Selbstmitleid dafür nicht wirklich der richtige Ausdruck war. Denn ich hatte kein Mitleid mit mir selbst. Viel mehr hatte ich mir selbst einige Vorwürfe zu machen denen ich mich nun langsam stellen musste. Es ist wirklich schwer. Anstatt also voller Trauer und Einsamkeit in meinem Zimmer sitzen zu bleiben begann ich mein Zimmer einzurichten. Plakate, Musik-Equipment, meine Zimmerpflanze Lisa - der musste ich Ayumi noch vorstellen. Ich begann meinen Frust in positive Energie zu verarbeiten. Wenigstens kann ich etwas Produktives tun.

Und doch saß ich später am Abend auf meinem Bett und wusste nicht wohin mit mir. Ich wollte mich Ayumi nicht aufdrängen und unsere Mutter hatte sicherlich zu tun. ich war mir auch nicht mehr sicher welche anderen Clan-Mitglieder überhaupt noch in der Villa waren. Sie wirkte so groß und beinahe etwas leer im Gegensatz zu früher. Aber eventuell war ich auch einfach derjenige der älter und aufmerksamer geworden war. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und nahm meine Lederjacke. Ich würde in die Stadt gehen. Einfach in den nächsten Club etwas meine Schuld hier vergessen. Oder zumindest verdrängen bis ich aus meinem Rausch wieder erwachte.

> Polizeistation und Gefängnis von Bordeaux

< Villa

Mein Zeigefinger und mein Mittelfinger meiner rechten Hand hatten noch auf meiner Unterlippe gelegen, dort wo ich die von Sandy wenn auch nur ganz kurz berührt hatte. Mein Herz klopfte wie verrückt in meiner Brust und ich wusste gar nicht, wohin mich meine Beine trugen, bis ich zwischen den Zimmern von mir und Ayumi stand. Zuerst hatte ich noch kurz beim Zimmer von Ayumi vorbei gesehen - aber sie war nicht da gewesen. Ich hoffe, dass es ihr gut geht. Ich hatte mich dann aber direkt zu meinem Zimmer aufgemacht und mich erst mal das Gesicht nach unten auf die Matratze fallen lassen. Ohne weitere Verzögerungen war ich auch direkt eingeschlafen. Meine Träume waren gefüllt von Sandy. Sandy und seinem sonnigen Strahlemann-Lächeln und seiner Polizei-Uniform und seinen Muskeln und seinen weichen Lippen und seinem schnittigen Gesicht und so vielem mehr.

Ich erwachte erst einige Stunden später und blinzelte verwirrt - während ich auf mein zum Glück nicht verlorenes Handy sah. Ich lächelte als ich die Nachricht von Sandy dabei bemerkte. Er hatte mir tatsächlich geschrieben, dass er gut nach Hause gekommen war. Wie beruhigend. Ich setzte mich dann an meine Instrumente, etwas Musik zu machen, und sah dabei am Handy auf den Sozialen Medien nach Möglichkeiten nach meiner zukünftigen Band suchen zu können. Ob das wohl etwas wird? Oh, eine Stelle in einem Tiergeschäft! Wie Mum und Ayu wohl darauf reagieren würden? Ich hoffe beiden geht es gut! Ich tippte dabei fröhlich auch auf einen meiner aufgenommenen Songs und versandte ihn an Sandy mit einem kleinen Grinsen im Gesicht.

> Großer Garten

< Villa

Sandy war mir leider nicht in die Dusche gefolgt, auch wenn ich ihn sicherlich nicht aufgehalten hätte. Es wäre kein gutes erstes Mal unter der Dusche gegen die harten Fließen, aber zum Anderen, gibt es gute erste Male überhaupt? Ich war mir sicher, mit Sandy könnte es das geben, es würde nicht seltsam sein oder unangenehm. Zumindest war ich mir dem relativ sicher. Aber die Vorstellung, dass er mir einfach ins Bad folgte, mich in der Dusche bedrängte, aber auf eine sehr gewollte Art, war einfach zu heiß um sie abzuschütteln. Kaum prasselte das Wasser auf meinen nackten Körper und trieb die Sandkörner die um meine Schultern gelegen hatten nach unten, ihre raue Textur an meinem Körper, dachte ich sofort wieder an Sandy. Meine bereits durchnässte Unterhose hing ich an der Duschwand auf. Meine Hände arbeiteten fleißig das Shampoo in meine Haare ein, das ich auch gleich wieder aus wusch und dann glitt ich mit dem Duschgel auf den Fingerspitzen vom Hals weiter nach unten zum Rest meines Körpers. Wenn diese Hände nur die von Sandy wären...
"Scheiße!"
Scheiß auf die kalte Dusche, ich bin definitiv Warmduscher. Aus der kalten Dusche wurde doch nichts. Zurückhaltung war noch nie meine Sache gewesen und daher glitt meine Hand auch schnell nach unten und in meinen Schritt. Es mochte sein das noch Sandkörner auf mein Hand klebten, aber das hielt mich nicht auf. Nicht bei diesen Bildern von Sandy, die ich im Kopf wie Fotos abgespeichert hatte. Sein Lächeln, dieser Hintern, seine Muskeln, dieses Grinsen, seine Männlichkeit durch die weiße Unterhose, seine Augen, und mehr, mehr, mehr. Ich hatte keine Chance gegen die pralle Masse der gesamten Eindrücke, die mich überrollten. Am Liebsten hätte ich ewig so weitergemacht, einfach in den Eindrücken von Sandy mich vollkommen verloren, aber mir fiel langsam wieder ein, dass ich nicht so viel Zeit hatte. Komm schon, echt jetzt! Gesagt und getan. Veni, vidi, vici.
"Oh, Sandy..."
Ich stolperte wieder aus meiner Dusche hinaus, wenigstens dachte ich daran mir noch ein Handtuch um die Hüften zu schlingen, bevor ich zu meinem Schrank stolperte in dem noch immer nur der Koffer lag - nicht wirklich ausgepackt. Ich begann dort Kleidung etwas wahllos herauszuziehen, ein bisschen mit der Angst, dass ich schon zu viel Zeit gebraucht hatte und Sandy gleich durch die Tür eintreten würde. Mit der Angst oder dem Wunsch. Das weiß ich auch nicht so genau!

Als ich an Kaitos Zimmer ankam klopfte ich zwar, öffnete dann allerdings ohne wirklich nachzudenken gleich die Tür. Vielleicht war es auch nicht ganz so ohne nachzudenken, denn in meinen Gedanken kam Kaito noch in nur ein Handtuch gewickelt sehr deutlich vor und vermutlich führte das meine Hand. Ich wurde allerdings auch nicht enttäuscht, denn meine Vorstellung wurde Realität, nur noch viel besser als ich es mir hätte ausmalen können, denn da stand tatsächlich Kaito, der nackte Oberkörper noch feucht von der Dusche, die er eben genommen hatte, um die Hüften nichts als ein Handtuch und auch noch herunter gebeugt, wie um sich mir extra zu präsentieren, dieses prachtvolle Hinterteil, schmal, aber doch gut ausgebildet. Ich biss mir einen Moment auf die Unterlippe und konnte den Blick nicht abwenden, ehe ich mich zusammen riss und die Hände hob um zu deuten. Tut mir leid, ich dachte du bist schon fertig.

Sandy!? Wenigstens hörte ich die Tür mit meinen noch funktionierenden Ohren, wenn mein Zeitgefühl denn schon nach ließ und ich offenbar keinerlei Kontrolle über meine Hände und ihre Wanderungen mehr hatte. Ich streckte mich noch ein Mal extra weiter vor und fischte so nach einer schwarzen Jeans ganz unten im Koffer. Es war auch eine schöne Jeans, mit Löchern an den Knien, die ich dann mit zwei Fingern hervor zog und sie mit einer Bewegung lässig über meine Schulter warf - als ich mich wieder gerade hinstellte. Ich drehte mich auf dem Absatz um und sah direkt in zwei goldene Augen die allerdings erst nach einer Sekunde meinen in Folge amüsierten Blick erwiderten. Also, wo guckt er denn hin, der Herr Brigadier?
"Es kam etwas dazwischen."
Ich grinste Sandy großspurig an. Wow, ich fühle mich als würde ich noch schweben. Mein Grinsen hatte dabei einen deutlich dümmlichen oder eher dämlichen Einschlag - was nicht verwunderlich war bei dem rasanten Klippen-Sprung über den ich mich gerade begeben hatte. Meine Gehirnleistung war erst wieder dabei richtig hoch zu fahren. Wie als ich zu viel getrunken hatte, nur auf eine ganze andere Art. Es hat eben schneller gehen müssen.
"Gib mir noch ein paar Sekunden, dann bin ich fertig für dich."
Nur für dich Sandy, wenn du wüsstest. Ich begab mich wieder zum Bad, wobei ich bereits im Betreten das Handtuch zu Boden fallen ließ, wie ein Versehen, nur um dann in genau demselben Versehen auch die Tür nicht ganz zu zuziehen. Zuerst striff ich mir gebückt meine schwarze Unterhose mit nun orange Rand über. Als nächstes griff ich nach den Socken auf dem Boden, die ich mir ebenfalls über meine Füße zog. Dann folgte die schwarze Jeans mit den Löchern an den Knien, für die ich mich eben bereits so schön nach vorne gebückt hatte und zu guter Letzt folgte nun auch ein weißes einfaches T-Shirt. Ich trat bereits wieder aus dem Bad hinaus, als ich das T-Shirt erst noch über meine Bauchmuskeln zog. Mit meinen Händen strich ich es glatt.
"Jetzt bin ich wirklich fertig, echt jetzt. Keine halben Sachen mehr."
Eine Wasserperle löste sich aus meinen Haaren und rollte über meine Wange und meinen Hals um im V-Kragen meines T-Shirt zu verschwinden.

Ich versuchte mich so unauffällig wie möglich zu verhalten, was bei meinen Gedanken und Kaitos Benehmen ein Ding der Unmöglichkeit war, wie ich herausfinden musste. Lass dir nur Zeit. Man konnte es mir wohl nicht verdenken, dass mein Blick Kaito folgte und ich mich auch etwas zurück lehnte um durch den Spalt in der Tür zu sehen, den der andere Vampir sicher absichtlich dort gelassen hatte, nur um mich zu ärgern. Dieser Typ wird noch mein Ende sein. Oh wie wünschte ich mir gerade unter der Dusche selbst Hand angelegt zu haben, vielleicht würde mein Körper dann jetzt nicht so auf das reagieren was ich da zu sehen bekam, kurze aufblitzende Eindrücke von Kaitos heller Haut, die sich über seinen Hintern und seine schlanken Beine erstreckte und die er erst nach und nach verdeckte. Ich konnte mir fast schon physisch vorstellen wie es wäre meine Hände darüber gleiten zu lassen, diesen Körper zu erkunden... Ich bemerkte wie meine Hose zu eng wurde und setzte mich auf Kaitos Bett, um dort die Beine übereinander schlagen zu können und so meinen Umstand etwas zu verbergen. Okay, beruhige dich, denk an etwas anderes als Kaito. Eine schwierige Sache, denn eben dieser kam jetzt auch aus dem Bad heraus, gekleidet in ihm sehr gut stehende, leicht punkigen Klamotten. Na hat ja lange genug gedauert. Musstest du dich noch nachschminken? Ich deutete das mit einem grinsen das deutlich machte, dass ich meine Gesten nur als Scherz meinte, meinetwegen durfte jeder tragen was er wollte, solange er sich darin wohl fühlte, das bezog ich sowohl auf Kleidung, als auch auf MakeUp.

Sandy saß inzwischen auf meinem Bett und ich ließ meinen Blick eine Runde langsam über seinen Körper gleiten - von seinen Füßen bis nach oben zu seinen frisch gewaschenen Haarspitzen. Ich bemerkte dabei, wie er sehr elegant seine Beine übereinander geschlagen hatte. Es mochte Zufall sein, oder Absicht, ich war auf jeden Fall sehr zufrieden mit dem, wie er gerade auf mich wirkte. Wie gut du in mein Bett passen würdest, Sandy. Grinsend fuhr ich mir mit meiner rechten Hand durch meine Haare, die mir noch etwas nass über meine Stirn fielen und sich aber im nassen Zustand noch meinem Willen beugten und zurück gelegt blieben. Meine Haarsträhnen glitten durch meine Finger hindurch und ich ließ meine Hand wieder auf die Seite fallen nach unten.
"Hast du eine Ahnung wie gut ich mit Eyeliner aussehe, Sonnenschein."
Ich sollte mal wieder welchen tragen. Ich ließ mich gleich direkt neben Sandy auf dem Bett nieder. Mit meinem Hintern rutschte ich dabei an den Rand des Bettes, meine Beine hielt ich dabei schön geöffnet, so dass eines meiner Knie an das Bein von Sandy stoßen konnte. Immer wenn ich mich auch nur ein Stück bewegte. Ohne zu zögern lehnte ich mich vor und legte mein Kinn auf der muskulösen, breiten Schulter von Sandy ab.
"Nur weil ich mich für dich hübsch machen wollte."
Meine Stimme war eine Etage tiefer gerutscht. Ich ließ einige Sekunden vergehen, bevor ich über meinen eigenen Scherz lachen musste. Ich amüsierte mich auf jeden Fall sehr gut gerade.

Stimmt, das musst du mir wohl mal vorführen. Ich glaubte ihm allerdings da gerne aufs Wort, vermutlich könnte Kaito alles tragen und ich würde befinden, dass es ihm gut stand. Himmel, wie konnte man einem Mann nur so schnell und so hart verfallen? Mein Körper reagierte sehr viel stärker auf Kaitos nähe und auch seine Berührungen, als er es tun sollte, was zum einen vermutlich an all dem Blut lag, das in meine Körpermitte geflossen war, und zum anderen auch einfach an seiner normalen Ausstrahlung, die mich auch so schon mitriss. Als müsstest du dir da solche Mühe geben. Ich hob, nachdem ich gedeutet hatte, die rechte Hand und fuhr Kaito damit durch die Haare, um diese frech zu verstrubbeln, im nassen Zustand wirkten die Strähnen für mich fast zu glatt und zu brav um zu Kaito zu passen.

Ein Mal Kaito mit Eyeliner, kommt sofort. Oder zumindest bald. Wenn ich Zeit habe. Noch hatte ich nicht alles ausgepackt, theoretisch besaß ich sogar ein wenig von dem Schminke-Zeug, man brauchte es doch für den ein oder anderen Auftritt. Noch hatte ich zwar keine großen Auftritte gehabt, aber es kam schon besser an, wenn man solche Musik spielte wie ich. Ein wenig Schminken hatte noch niemandem geschadet. Wie Sandy wohl mit Eyeliner aussehen würde? Sicher entweder total süß und verloren oder einfach verboten heiß! Eventuell würde ich ihn eines Tages dazu überreden es auszuprobieren.
"Alles was du begehrst soll Dein sein."
Ich kam nicht weiter mit meinen Verführungstaktiken, als eine Hand von Sandy ihren Weg nun in meine Haare fand. Ich reckte mir ihr zwar entgegen - denn logisch tat ich das. Jedoch protestierte ich trotzdem. Die Dame, wie mich dünkt, gelobt zu viel....
"Stimmt, denn es ist doch alles verlorene Liebesmüh! Du zerstörst gleich wieder alles! Meine schöne Friese, echt jetzt."
Mit einem Blick der deutlich ausdrücke, wie unglaublich hintergangen ich mich fühlte, schob ich meine Unterlippe vor um mein bestes schmollendes Gesicht herzu zeigen. Jedoch wollte ich am Liebsten eigentlich, das Sandy weiter machte. Ich schloss sogar kurz die Augen, einfach um die angenehmen Finger zwischen meinen Haarsträhnen zu genießen. Ich war schon immer sehr nähe- und kuschel-bedürftig gewesen. Ich vermisse die vielen Umarmungen. Vor allem die von Ayu. Ich hoffte es ging ihr gut. Besser als zu dem Zeitpunkt - an dem ich wieder zurückgekommen war.
"Also. Was sagst du?"
Erwartungsvoll sah ich Sandy an und deutete dann ein Mal um uns herum. Immerhin hatte ich ihm mein Zimmer zeigen wollen. Ist noch nicht ganz fertig. Aber trotzdem schon ziemlich cool. Und so anders als früher!

Da kann man nicht viel zerstören und so sieht es sowieso viel besser aus. Ich musste lautlos über Kaitos verzogenes Gesicht lachen, denn er sah mich so an, als hätte ich ihm nicht die Haare verwuschelt, sondern ihm ein Messer in den Rücken gestoßen oder so etwas. Dann allerdings lenkte er meine Aufmerksamkeit nun endlich wirklich auf sein Zimmer, nachdem ich bisher fast vollkommen auf Kaito fixiert gewesen war. Ich drehte den Kopf und sah mich eingehend um. Es war alles sehr durcheinander hier, aber es gab ein deutliches Thema, Kaitos Reisen nämlich, dargestellt in Bildern und Mitbringsel, wenn auch alles in reinem Chaos zu versinken drohte, so ganz anders als mein Lebensraum es war, immer möglichst aufgeräumt und sauber, wieder etwas in dem wir uns unterschieden, aber es war doch so ganz und gar Kaito, dass es mir einfach gefallen musste. Man sieht auf jeden Fall, dass es eindeutig dein Zimmer sein muss. Ich grinste leicht und deutete auf eine besonders chaotische Ecke. Wie findest du hier überhaupt etwas?

Zwar hatte ich versucht erneut meinen Schmollmund zum Besten zu geben, aber es wollte nicht so recht funktionieren, besonders nicht, wenn ich zuvor gerade noch das lautlose Lachen von Sandy bestaunen hatte können. Er mochte nicht laut lachen können, aber die Bewegungen waren zu sehen, der glückliche Gesichtsausdruck. Ich fühle mich, als würde ich schweben. Ich wollte alles tun, um dieses Gesicht wieder sehen zu können. Sandy zum Lachen zu bringen war etwas Besonderes. Es war dabei egal ob mit oder ohne Ton - denn sein Lachen war sein Strahlen. Wie ein besonders schöner Sommertag am Strand, die Sonne erhaben über den Wolken, das Glitzern ihrer Strahlen im Wasser. Er hat das schönste Lächeln, das ich je gesehen habe.
"Was soll das denn jetzt bedeuten?"
Ausgerechnet die Ecke mit der dreckigen Kleidung gemischt mit ein paar Camping-Sachen! Eigentlich halb lachend schnappte ich nach Luft - auch wenn ich versuchte zu spielen als wäre es vor Empörung. Diese Ecke da hat doch überhaupt keine Ähnlichkeit mit mir! Sogar ich selbst musste mich bei diesem Gedanken jedoch Lügen strafen.
"Ach mein lieber Sandy."
Ich schüttelte weise den Kopf.
"Nur das Genie beherrscht das Chaos!"
Dann machte ich eine ausschweifende Bewegung über mein Zimmer, wie Mufasa als er Simba das Königreich im Film 'König der Löwen' zeigte.

Ja natürlich, du Genie. Ich grinste amüsiert und sah mich wieder im Zimmer um. Ich hätte hier ohne Zweifel nie etwas wiedergefunden, selbst wenn es "mein" Chaos gewesen wäre, ich mochte meine Sachen lieber geordnet, das sparte mir Zeit, die ich mir ohnehin immer gut einteilen musste. Hast du auch vor hier irgendwann aufzuräumen und richtig einzuziehen, oder bleibt das so? Das bezog ich auf den unausgepackten Koffer, als dem Kaito sich zuvor noch seine Kleidung gefischt hatte und der vor seinem Schrank stand.

Richtig einziehen, wenn ich das nur könnte. Wie mit einem Sprung ins eiskalte Wasser erdrückte mich nun die Wahrheit - ich war noch nicht wirklich wieder hier eingezogen. Mit einem kleinen Ruck hob ich mein Kinn wieder von Sandys Schulter ab. Ich drehte meinen Kopf weiter zur Seite bis ich wieder gerade nach vorn sah und ließ meinen Blick dann aber nach unten absinken bis zu meinem Schoß. Ich zuckte mit den Schultern. Mein Gesichtsausdruck war schwierig zu lesen - meine Gefühle für mich selbst unklar. Aber sogar ich bemerkte wie angespannt meine Haltung geworden war.
"Ich möchte es auspacken. Aber ich war mir noch nicht sicher, ob ich hier auch gewollt bin."
Ein schmerzliches Stechen breitete sich auf diese Worte hin in meiner Brust aus. Ob sie mich wirklich zurück haben wollen? Ich deutete dann auch direkt auf eine große Box, die neben einem roten Halter stand, auf dem ein schwarzer Choker mit Nieten seinen Platz fand. Auf der Box befand sich eine gelbe Schleife.
"Das Geschenk war für Ayu gedacht, aber denkst du es wäre unpassend es ihr zu geben?"
Och Menno! Sogar ich beim Sprechen bemerke, das ich das viel zu sehr überdenke. Aber ich konnte nicht wirklich damit aufholen. Ganz egal um was es ging, sobald Ayumi ins Spiel kam konnte ich kaum noch einen einfachen Gedanken fassen. Es war als müsste ich alles in einem Schachzug wieder gutmachen, aber ich wusste, das war gar nicht möglich. Ich hoffe nur, ich vermassel es nicht. Selbstverständlich hatte ich ihr etwas mitgebracht. Um genau zu sein war das Geschenk schon länger in Arbeit gewesen. Jedes Mal, wenn ich auf meinen Reisen an meinen Zwilling hatte denken müssen - hatte ich etwas in die Box gegeben. Bis daraus eine große Sammlung an kleinen Souvenirs, Fotos und weiteren Erinnerungen geworden war.
"Würde es so wirken, als wollte ich mir ihre Gunst einkaufen? Weil ich möchte das auf keinen Fall!"
Ratlos und nach Hilfe suchend sah ich zu Sandy. Jetzt belaste ich ihn schon wieder damit. Ein Wunder, dass er überhaupt zu mir kommt.

Offenbar hatte ich ungewollt einen Nerv getroffen und ich runzelte besorgt die Stirn. Unser Kontakt verschwand, Kaito spannte sich an. Ich setzte mich wieder gerade hin, mein Problem hatte sich sowieso schon zu großen Teilen gelöst, und drehte mich mehr zu Kaito, ein Bein aufs Bett gezogen, um mich ihm wirklich zuwenden zu können. Hey. Um sicher zu gehen, dass er zu mir sah hob ich eine Hand und drehte sein Gesicht sanft in meine Richtung. Ich ließ meine Finger ein bisschen zu lange an seiner Wange und lächelte ihn sanft an, ehe ich sie doch weg nahm um wieder mit beiden Händen deuten zu können. Ich denke sie würde sich freuen, das ist eine gute Idee. Und du bist hier gewollt. Jedenfalls ich will dich hier haben, okay?

Meine Schultern senkten sich traurig herab. Ein Spiegel meines schwindenden Selbstbewusstsein. Es war ein ewiges Tauziehen in meinem Kopf. Ich wollte am Liebsten zu Ayumi stürmen und Zeit mit ihr verbringen, ihr mein Geschenk zeigen und ihr von meinen Reisen erzählen, aber ich wollte ihr auch ihren Raum geben und die Zeit selbst auf mich zu zu kommen. Ich machte ihr keinen Vorwurf darin wie sie reagiert hatte. Ich hätte es vermutlich an ihrer Stelle auch getan. Gäbe es doch nur eine einfachere Lösung für unsere Familie. Aber die hatte es niemals gegeben.
"Ich dachte mir zu gehen war der schwierige Part. Ich hätte nicht gedacht, dass zurückkommen noch schwieriger sein würde."
Ein bitteres Seufzen drängte sich ohne mein Zutun über meine Lippen. Doch dann spürte ich eine Wärme an meiner Wange - Sandys Hand. Ich folgte ihrem Nachdruck und drehte meinen Kopf. So lange bis Sandy in mein Blickfeld zurück kehrte. Vorsichtig sah ich zu tun hoch und wünschte mir noch in der selben Sekunde ich hätte es nicht getan. Ich verdiene dieses Lächeln nicht. Trotzdem konnte ich mich nicht abhalten mich in seine Berührung hinein zu lehnen. Die angenehme Hand mit der etwas rauen Textur an meiner Wange. Wie ein stummes Versprechen bei mir zu bleiben. Ein Versprechen, das mir Sicherheit gab. Das tut so gut.
"Okay."
Ich versuchte sehr tapfer zu sein. Zu tapfer für mein eigenes Wohl.
"Danke Sandy."
Verdammt! Denn ich spürte, wie meine Augen verräterisch zu brennen begannen. Ich sah schnell nach oben - ich versuchte schnell zu blinzeln. Aber es brannte immer mehr. Jedoch gab ich nicht auf sondern kämpfte weiter dagegen an. Ich will nicht, dass er mich dabei sieht. Was muss er nur von mir denken? Ich mache mich damit nur lächerlich. Dennoch war ich noch nie gut darin gewesen mich zu kontrollieren. Ein Erbstück meines verdammten Vaters sozusagen. Er hatte nie etwas Gutes in meinem Leben hinterlassen können, selbst als er gegangen war nicht. Ich schnappte nach Luft.
"Tut mir leid, i...ich"
Weiter kam ich nicht, denn meine Stimme wurde zu dünn. Sie verlor sich im Nichts.